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Ich bin der letzte Jude

Ich bin der letzte Jude

Titel: Ich bin der letzte Jude Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chil Rajchman
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sich über unser Wiedersehen und bietet mir Hilfe an. Er besorgt mir
Papiere, die aus mir einen Arier machen.
    Nachdem ich schon ein paar Tage bei ihm wohne, breche ich seelisch
und körperlich zusammen. Ich verliere den Appetit und bin fest davon überzeugt,
dass ich kein Recht habe zu leben, nach allem, was ich gesehen und erlebt habe.
Meine Freunde kümmern sich um mich und machen mir schließlich klar, dass nur
sehr wenige Zeugen wie ich überlebt haben und dass ich leben müsse, um zu erzählen.
    Ja, ich habe ein Jahr lang unter den schlimmsten
Bedingungen in Treblinka gelebt. Nach dem Lageraufstand bin ich zwei Monate
herumgeirrt, dann habe ich Piastów erreicht und zwei Jahre als angeblicher Pole
gelebt. Nach dem Warschauer Aufstand habe ich dreieinhalb Monate in einem
Bunker der Hauptstadt verbracht, bis ich am 17. Januar 1945 befreit wurde.
    Ja, ich habe überlebt, und ich bin frei, aber wozu? Das frage ich
mich oft. Um von der Ermordung von Millionen unschuldiger Opfer zu berichten,
um von dem unschuldigen Blut zu zeugen, das diese Mörder vergossen haben.
    Ja, ich habe überlebt, um Zeugnis abzulegen von dem Riesenschlachthof
Treblinka!

Anmerkungen
    1    USC Shoah Foundation Institute, Los Angeles, Mitteilung vom 24. Oktober 1994.
    2    Calel Perechodnik, Bin ich ein Mörder? Das Testament eines jüdischen Ghetto-Polizisten. Vorw. von Micha Brumlik, Berlin 1999; aus dem Polnischen von Lavinia Oelkers.
    3    Simcha Guterman, Das gerettete Buch, Reinbek 1993 1 ,
München 1999; aus dem Französischen von Rolf und Hedda Soellner.
    4    Der erste Prozess gegen Ivan (John) Demjanjuk
fand in Cleveland statt. Die amerikanische Staatsbürgerschaft wurde ihm laut
Gerichtsentscheid vom 23. Juni 1981 aberkannt, was das Vorspiel zu seiner
Überstellung nach Israel und dem Gerichtsverfahren gegen ihn 1987 in Jerusalem
war. Der in erster Instanz zum Tode verurteilte Demjanjuk wurde vom Obersten
Gerichtshof Israels »wegen Zweifel an seiner Identität« freigesprochen. Er
kehrte in die USA zurück. Im März 2009 erwirkte die Münchener
Staatsanwaltschaft einen Haftbefehl gegen Demjanjuk wegen Beihilfe zum Mord in
mindestens 27.900 Fällen – so viele Menschen wurden während Demjanjuks
mutmaßlicher Zeit als Wachmann im Vernichtungslager Sobibór ermordet. Im Juli
2009 erhob die Staatsanwaltschaft München I Anklage gegen den inzwischen nach
Deutschland ausgelieferten Demjanjuk.
    5    Rajchman hat die Namen des Lagerpersonals phonetisch,
seinem Hörverständnis folgend, wiedergegeben. Soweit möglich, wird die richtige Schreibweise angemerkt; A. d. Ü.
    6    Vgl. insbesondere das im United Holocaust Memorial Museum in Washington vorhandene
Material (7. Dezember 1988).
    7    Wassili Grossman, Die Hölle von Treblinka . Faksimile der 1946 in
Moskau erschienenen dt. Übers. von L. Becher, Köln (Wilhelm-Kammeier-Institut)
2004. (Die Zitate dieses Vorworts ebd., S. 5 u. S. 50; A. d. Ü.)
    8    Ilja Ehrenburg, Wassili Grossman, Das Schwarzbuch. Der Genozid an den sowjetischen Juden ,
Reinbek 1994 1 , Frankfurt am Main u. Wien 1995; dt. von Ruth und
Heinz Deutschland. (Das Schwarzbuch enthält
auch Die Hölle von Treblinka in
    überarbeiteter Übersetzung: S. 821–845; A. d. Ü.)
    9    In der bereits zitierten Mitteilung (Los
Angeles, 24.10.1994) nennt Rajchman das Jahr 1945 für seine Reise nach
Treblinka mit der Untersuchungskommission. Unter den 13 jüdischen Zeugen, die
von dieser Untersuchungskommission befragt wurden, befindet sich in der Tat ein
Henryk Reichman. Chil Rajchman lebte bis Kriegsende unter dem Namen Henryk
Romanowski in Warschau; nach der Befreiung behielt er den Namen Henryk neben
Jechiel (Kurzform: Chil) bei.
    10    1943 kamen Transporte mit griechischen
Juden aus dem 1941 an Bulgarien gefallenen Thrakien sowie jugoslawische Juden
aus Mazedonien. Die Übersetzerin dankt Sara Berger und Werner Renz für ihre
Unterstützung bei der Erstellung dieser Anmerkungen.
    11    In Treblinka wurden keine Listen über
die dorthin deportierten Juden geführt, da diese sofort nach ihrer Ankunft
vergast wurden. Archive wurden weitgehend zerstört. Die Zahlenangaben sind umstritten. Raul
Hilberg geht von 700.000 Toten aus, Gitta Sereny von 1.200.000. (In der Neuauflage
von Verfolgung und Massenmord in der NS-Zeit
1933–1945 , Darmstadt 2008, nennt Dieter Pohl für Treblinka die Opferzahl
von 850.000; A. d. Ü.) Welche Zahl man auch zugrunde legt, Treblinka war der
Ort, an dem die

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