Ich bin ein Genie und unsagbar böse
Anarchie Tür und Tor geöffnet!« Sie streckt Randy ihren klobigen Zeigefinger entgegen. » Du hättest erst von jemand vorgeschlagen werden müssen!« Ihre Stimme schwillt an und überschlägt sich fast vor Erregung. »Hättest du den Vorschlag angenommen, wärst du nominiert worden! Und deine Klassenlehrerin hätte dies alles bezeugen müssen! Wer ist deine Klassenlehrerin?«
Randy sackt auf seinem Stuhl zusammen. »Das sind Sie.«
Die Tiere lachen so laut, dass sie die Pausenklingel nicht hören.
Dieses eine Mal ist mein Mitleid auf Randys Seite. Niemand sollte so unsichtbar sein, dass selbst der Klassenlehrer nichts von einem weiß.
»Miss Broadway mit X-9 behandeln«, flüstere ich. Morgen wird sie eine sehr schwere Erkältung haben.
»Und X-5.«
Sowie einen Hautausschlag.
»Und lasst ihr die Luft aus den Reifen.«
Entschuldigung, aber ich konnte nicht anders.
Kapitel 22
Daddy hat andere Sachen im Kopf
Daddy steht vor seinem Kleiderschrank und geht seine Auswahl an Fliegen durch. Ich persönlich habe nichts gegen Fliegen, außer wenn Daddy sie trägt. Er neigt zu Albernheiten, wenn er sich in Schale wirft, als wolle er sagen: Ich nehme so was nicht allzu ernst.
»Was meinst du?«, fragt er, während er zwei Fliegen hochhält. »Die mit den tanzenden Babys oder die mit den Frankensteins auf Rollerskates?« Ich habe einen besonderen Spaß daran, ihm zu Weihnachten und zum Vatertag die schwachsinnigsten Krawatten und Fliegen zu schenken, die ich nur finden kann. Der Spaß wäre noch größer, wenn sie ihm nicht auch noch gefallen würden.
»Die sehen beide gut aus«, sagt Mom, die auf dem Bett sitzt. Er nickt und betrachtet beide aufmerksam, ehe er sie unschlüssig beiseitelegt. Dann wählt er das aus, was er auch während des kommenden Spendenaufrufs im Fernsehen, der ihn monatelang in Atem halten wird, zu tragen beabsichtigt.
Daddy lässt sein Lieblingskordjackett auf den Kleiderhaufen fallen, bevor er sich an die noble Stirn fasst.
»Mein Gott, wie ich das hasse!« Sein Lebensüberdruss scheint neue Höhen zu erreichen. »Was für eine Zeitverschwendung diese Sendungen sind, wo ich im Büro so viel nützliche Arbeit erledigen könnte.«
»Dann lass es doch einfach«, entgegne ich, während ich auf dem Boden sitze und mit Lollipop Tauziehen spiele. 82
Daddy kämpft zu sehr mit seinem inneren Schmerz, um zu einer Antwort fähig zu sein. Mom füllt das Vakuum. »Aber er muss das tun, Mausebär. Er ist schon fest für drei Sendungen pro Woche eingeteilt, einen ganzen Monat lang!«
»Das ist richtig.«
»Ist er denn nicht selbst für die Einteilung verantwortlich? Er könnte doch dafür sorgen, dass andere Leute die Sendung schmeißen, dann hätte er auch genug Zeit für seine wichtige Büroarbeit.«
»Eines Tages wirst auch du begreifen, was es heißt, Verantwortung zu tragen«, blafft Daddy mich an. Er kehrt mit Leidenschaft zu seinem Einbauschrank zurück und widmet sich mit neuer Energie der Kleiderfrage.
»Ja, vielleicht wenn ich Randy geschlagen habe und Klassensprecher bin«, sage ich.
»Yeah, vielleicht dann«, murmelt Daddy geistesabwesend. Die Zeit der Spendenaufrufe raubt meinen Eltern die letzten Reste ihrer mentalen Reserven. Daddy pflügt durch seine Sockenschublade.
Ich dachte, er würde der Tatsache, dass ich nun einen Gegenkandidaten habe, ein wenig mehr Interesse ent-gegenbringen.
»Das wird eine spannende Wahl«, prognostiziere ich. »Ich fürchte, Randy wird alle Brillenträger auf seine Seite ziehen, weil er selbst eine Brille trägt.«
Meine Eltern haben kein Wort von dem verstanden, was ich gesagt habe. Stattdessen nimmt Daddy ein paar hellorange Socken in Augenschein. »Die kann ich im Fernsehen nicht tragen, die haben Flecken.«
»Du solltest zum Friseur gehen«, sagt Mom.
Er schaut in den Spiegel. »Nein«, widerspricht er und streicht sich die gelockten Haare über die spitzen Ohren. »Sonst halten mich die Leute noch für eitel.«
Ihr mangelnder Enthusiasmus sollte mich nicht verwundern. Denn wie sich herausstellte, war Randy Sparks’ verspätete Kandidatur nicht einmal an unserer Schule die Topnachricht des Tages. Nach dem Lunch sickerte nämlich durch, dass Tatiana für zwei Wochen vom Unterricht suspendiert worden ist. Irgendjemand hat seit Januar Graffitis auf dem Parkplatz hinterlassen. Typisch jugendliches Zeug ( siehe Bild 15 ). Und heute Morgen hat sich Ms. Sokolov daran erinnert, neulich Farbe an Tatianas Fingern gesehen zu haben. Pech für sie.
Doch
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