Ich bin ein Genie und unsagbar böse
auf den Schulhof hinaus.
Mit einem seltsamen Gefühl in der Brust blicke ich ihm nach. Wäre es möglich, dass ich so etwas wie Schuldgefühle empfinde?
Nein.
Gott sei Dank!
Kapitel 21
Ich will meinenFuR auf die Erdkugel setzen wie ein Furcht einflößender Riese, und ich werde euch zerquetschen, wenn ihr versucht, zu meinen Shorts aufzublicken.
Auf Moorheads letzter Zigarette stand TRAG EIN EXEMPLAR VON DIE ENDEN DER PARABEL MIT DIR HERUM. Er starrt die Botschaft fassungslos an.
Was ich ihm nicht vorwerfe. Wenn man rätselhafte Botschaften auf Zigaretten erhält, kann man schon mal die Fassung verlieren, keine Frage.
Außerdem fordert ihn die Botschaft ja auf, ein Exemplar von Thomas Pynchons legendärem Roman Die Enden der Parabel mit sich herumzutragen, der als
völlig unlesbar gilt. 800 Seiten schwülstige, nebulöse, abgedrehte Prosa. Genau das Richtige, um eine Intelligenzbestie wie Lucy Sokolov zu beeindrucken, für Moorheads Zwergenhirn 78 jedoch ein aussichtsloses Unterfangen.
Was ihn jedoch am meisten verunsichert haben dürfte, ist der Fundort dieser speziellen Zigarette. Sie befand sich nämlich in einer Orange, die er gerade geschält hat. Das war kindisch von mir.
Da steht er also, mitten auf dem Gang, mit heruntergeklappter Kinnlade. In einer Hand hält er die geöffnete Orange, in der anderen die von Orangensaft und Fruchtfleisch beschmierte Zigarette, während er von einer Horde vorbeitrampelnder Schüler angerempelt wird. Er dreht sich vorsichtig im Kreis, um seine nähere Umgebung nach einer Erklärung abzusuchen. Glaubt er vielleicht, einen Magier zu entdecken? Oder den Allmächtigen höchstpersönlich, der sich einen Scherz erlaubt hat? Doch er sieht nur mich. Und ich kratze mich gerade mit meiner Federmappe am Hintern.
Konrektor Hruska eilt vorbei und zählt förmlich die Sekunden, die ihn noch von seiner Pensionierung trennen. Er nimmt Moorhead die Zigarette aus den Fingern. »Doch nicht im Schulgebäude, Neil!«
Moorhead ruft mit ausgestrecktem Arm hinter Hruska her: »Warte! Lies das mal …«
Doch Hruska hat die Zigarette längst zwischen seinen Fingern zerquetscht und die klebrigen Reste im Mülleimer verschwinden lassen. »Was soll ich lesen?«
Moorhead starrt den alten Mann, dann den Mülleimer, dann wieder den alten Mann an.
»Was soll ich lesen, Neil?«
Moorhead dreht sich um und trottet schweigend zum Klassenzimmer zurück. Die Orange entgleitet seinen schlaffen Fingern. Als hätte er vergessen, dass er sie in der Hand hält.
Nicht jeder hat was für Überraschungen übrig. Manche Leute lieben sie. Andere bekommen einen Herzinfarkt. Ganz nach Geschmack. Ob Randy Sparks, der größte Tölpel der ganzen Schule, eine Überraschung zu schätzen weiß? Machen wir einen Versuch! 79
In letzter Zeit wurde er ja schon mit einigen Überraschungen konfrontiert. Zum Beispiel der Freundin seines Vaters. Und alles ist so schnell gegangen! Hat sie nicht erst vor wenigen Tagen Randys Fahrrad zurückgebracht? Nachdem sie es eigenhändig einer Motorradgang abgeknöpft hatte?
Man kann sich das kaum vorstellen, doch wenn Verna zu reden anfängt, wird einem alles klar. Sie kann sehr überzeugend sein - ganz gleich worum es geht, solange der Preis stimmt. Nicht dass Randy das wüsste.
Und am überzeugendsten hört er sie derzeit über die Schönheit des politischen Prozesses sprechen. Wie sich herausstellen wird, ist sie, die früher Präsidentschaftswahlkämpfe managte, nun vor allem daran interessiert, die Wahlen an den Mittelschulen zu unterstützen (zugegeben, ein wenig unwahrscheinlich). Gerade dort wächst offenbar »unsere nächste Generation von Führungskräften« heran.
Natürlich war Verna entsetzt, als Randy ihr erzählte, dass es für die Klassensprecherwahl der achten Klasse nur einen einzigen Bewerber und keinen Gegenkandidaten gäbe. Mein Gott, war sie entsetzt darüber. Sie versuchte alles, um Randy mit ihrem Entsetzen anzustecken, doch selbst der größte Blödmann der ganzen Schule fiel darauf nicht rein.
Also richtete sie all ihre Überzeugungskraft auf Scott Sparks, den größten Glückspilz von ganz Omaha, und der war auf der Stelle total und endgültig überzeugt. Er sagte seinem Sohn daraufhin, er solle für die Wahl zum Klassensprecher kandidieren. Ja, er flehte ihn förmlich an.
Da Randy seinem Vater keine Schwierigkeiten bereiten wollte, versprach er, es zu versuchen. Und da er zu den Leuten zählt, die ihre Versprechen halten, ging er zu Mr. Pinckney, der
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