Ich bin ein Mörder
hier stand der Name seiner Mutter.
Der Mann machte es ihm wirklich nicht leicht. Geboren war er als Dirk Langendorf, in einer kleinen Gemeinde im Ried. Auch dies eine Information, die ihm erst seit Kurzem vorlag. Es wäre alles so viel einfacher gewesen, wenn man sie nicht nur mit Häppchen, sondern mit der ganzen Bundeswehrakte gefüttert hätte. So stocherte er blind drauflos, in einer Vergangenheit, die es so gar nicht gegeben hatte. Und auch in einer Gegenwart, deren Existenz ihm fragwürdig erschien. Dazwischen klaffte eine große Lücke, in der möglicherweise die Lösung steckte. Sicher war auch das nicht. Soweit er nachvollziehen konnte, hatten sich die Wege von Dirk Heppner und dem Mordopfer Martin Hirschberger nie gekreuzt; ebenso verhielt es sich mit Tobias Stockmann. Ob das auch für Dirk Langendorf galt, musste er erst noch rekonstruieren. Mit der Bundeswehr wollte er sich deshalb nicht noch einmal auseinandersetzen. Also brauchte er Auszüge aus dem Personenstandsregister und Daten aus dem Einwohnermeldeamt. Oder eine Auskunft von Dirks Mutter, was vermutlich wesentlich schneller ging.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er den Gesuchten unter ihrer Adresse persönlich antraf, schätzte er als gering ein. Außerdem konnte es immer noch eine Sackgasse sein, eine zufällige Namensgleichheit. Er kontrollierte seine Dienstwaffe, verstaute sie unsichtbar, aber griffbereit unter der Jacke.
Auf jeden Fall war das die erste lohnende Spur seit Tagen. Er besprach das weitere Vorgehen mit Holger und Marion und machte sich zu Fuß auf den Weg. Conrad Neumaier war nicht da. Es war nicht nötig, ihn sofort zu informieren.
Vom Haupteingang des Präsidiums wandte er sich nach rechts und folgte der Miquellallee, begleitet von ohrenbetäubendem Verkehrslärm. Gleichförmig säumten mehrgeschossige Wohnanlagen die abzweigenden Seitenstraßen. Das bisschen Grün vor den Eingängen konnte nicht über den abgewohnten Zustand der Häuser hinwegtäuschen. Die weiße Eingangtür, mit Milchglasfenster im oberen Drittel, vor der er schließlich haltmachte, erinnerte ihn an den Zugang zu einer öffentlichen Toilette. Daneben fanden sich zwei Reihen à fünf Klingelknöpfen, zumeist kaum leserlich beschriftet, mit ausländischen Namen, die er nicht aussprechen konnte. Der Putz bröselte. Er strich ein halb abgelöstes Schild glatt, das jemand mit einem Stück Klebestreifen wieder zu befestigen versucht hatte. Heppner, Elisabeth.
»Bingo!« Robert Wagner drückte auf die Klingel. Nichts rührte sich. Auf dem zugehörigen Briefkasten stand kein Name. Keine Briefe zu sehen, keine überquellende Werbung, die darauf hindeutete, dass die Wohnung nicht mehr bewohnt wurde. Er wiederholte das Klingeln, länger, intensiver, diesmal bei fünf Wohnungen gleichzeitig und machte dann einige schnelle Schritte rückwärts. Sein Blick huschte über die Fenster und er registrierte zufrieden die erwartete Bewegung hinter einem Vorhang. Penetranz zahlte sich aus. Kurz darauf summte der Türöffner.
Das Treppenhaus empfing ihn mit muffigem Halbdunkel.
»Ich wollte zu Elisabeth Heppner.« Er zückte den Dienstausweis, stellte sich vor und kam gleich zur Sache. »Aber sie macht nicht auf. Wissen Sie, ob sie da ist?«
Die Frau, die ihm geöffnet hatte, trug ein Kopftuch und auf dem Arm ein quengelndes Kleinkind.
»Häppnär? Kenn ich keine Frau Häppnär. Wo wohnt?«
»Ganz oben, unterm Dach. Der Name steht draußen an der Klingel. Eine alte Frau.«
Das Kind versteckte das Gesicht am Hals der Mutter, versuchte, mit unter das bunt gemusterte Tuch zu schlupfen. Blinzelte dann aber unter den Fransen hervor und beobachtete Robert. Er lächelte. Kinder waren alle gleich.
Die Mutter schüttelte den Kopf. »Ist keine alte Frau hier in Haus. Wartest du, fragst du Milla.«
Sie klopfte mit der Faust kräftig gegen die zweite Wohnungstür. »Milla?«, rief sie, stellte das Kind auf den Boden, das sich an ihre Beine klammerte und sofort laut zu heulen begann. Dann klopfte sie wieder und deutete erklärend auf die herausgerissene Klingel.
Robert wartete. Wenn er eines im Laufe seines Berufslebens gelernt hatte, dann das. Als sich schließlich Milla Vukovic in der Tür zeigte, wusste er sofort, dass sie ihm helfen konnte. In diesem Haus ging garantiert nichts vor, was sich vor der Mittsechzigerin verbergen ließ. Mit wachen Augen musterte sie ihn von oben bis unten, als er sich vorstellte und seine Frage wiederholte.
»Die Frau Heppner ist vorletzten Sommer
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