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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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wimmern.
    »Hör auf mit der Heulerei, sonst siehst du nichts vor lauter Tränen. Dann verpasst du das Beste, den entscheidenden Moment. Du sollst es sehen, wenn die Kugel aus deiner Waffe, geschossen von deiner Hand, deine Freunde trifft. Du sollst sie fallen sehen. Und sterben. Ich gebe sie dir beide mit auf die Reise. Dann muss niemand trauern und sich quälen mit Selbstvorwürfen. Ich bin gütig, siehst du? Obwohl lebenslange Seelenqual durchaus auch ihren Reiz hat. Aber dafür habe ich schon einen anderen eingeplant. Freust du dich schon?«
    Sein Lachen klirrte in ihren Ohren. Schrill. Eine Tonlage zu hoch. Dann riss er unvermittelt das Klebeband aus ihrem Gesicht und küsste sie. Sein feuchter Mund presste sich hart auf ihre Lippen und zwang sie, sich zu öffnen. Gierig schob er seine Zunge zwischen ihre Zähne, füllte ihren Mund mit Ekel. Sie würgte. Doch als sie das Vergnügen sah, das sie ihm damit bereitete, erwachte mit einem Mal ihr Widerstand. Er reagierte nicht schnell genug, als sich ihr Blick veränderte. Sie biss zu und hielt ihn fest. Für einen Augenblick erkannte sie Panik in seinen Augen, dann aber packte er sie an den Haaren, riss daran, bis sie loslassen musste, und zerrte ihren Kopf beiseite. Sein Zorn ließ ihn die Beherrschung verlieren. Der Boxhieb traf sie mitten ins Gesicht und nahm ihr sekundenlang den Atem.
    Als Alexandra wieder zur Besinnung kam, verschloss ein neues Klebeband ihre Lippen und ihr rechter Arm ragte bereits an der vorgesehenen Stelle durch das Geländer. Der linke Arm blieb mit den Handschellen an der Gürtelschlaufe der Hose auf ihrem Rücken befestigt. Tobias stabilisierte die Waffe mit beiden Händen.
    Aus dem Augenwinkel nahm Alexandra wahr, wie Jörg um die Ecke bog. Die Kameratasche über der Schulter näherte er sich über den sandigen Weg am verwaisten Spielplatz vorbei.
    Tobias wartete. Er brauchte einen bestimmten Winkel, der Abstand war entscheidend. Ganz nah musste er ihn kommen lassen. Er zielte.
    Ihr Finger spürte, wie er langsam den Abzug drückte, doch der Schmerz im Arm nahm ihr jede Kontrolle. Jörg hob den Kopf und schaute in ihre Richtung. Sie sah sein Gesicht. Seine Augen. Dann knickte ihr Finger ein.
    Das Geschoss schlug in seine Brust, traf den Körper mit Wucht, ließ ihn taumeln und zu Boden gehen. Sein Schrei mischte sich mit ihrem Schrei, der ihren Kopf ausfüllte und alle Gedanken erstickte. Gelächter durchdrang den Schleier aus Tränen.
    »Guter Schuss. Richtig guter Schuss, Alexandra! Das Herz nur knapp verfehlt. Der nächste wird noch besser! Deinen Kollegen treffen wir mitten ins Herz. Nein, nein, Kopfschuss. Kopfschuss ist sicherer. Wer weiß, vielleicht trägt er eine schusssichere Weste. Ein Streifenbulle. Könnte sein. Ist er im Dienst? Nein. Du bist nicht im Dienst. Er ist dein Partner. Dann ist er auch nicht im Dienst. Also keine Weste. Dann doch ins Herz. Beinahe schon poetisch. ›Sie traf ihn mitten ins Herz.‹ Verschmähte Liebe. Ist doch immer das Gleiche. Ehrlich, ich bedauere nicht, dass ich dieses Gefühl nicht kenne. Nichts verursacht so viel Leid und Schmerz wie die Liebe. Ich habe es ausprobiert. Auch wenn ich es nicht fühle, ich kann dieses Gefühl bei anderen erzeugen. Ein wunderbares Machtinstrument. Herzen brechen und meine einzige Waffe bin ich selbst.« Er wischte ihr die Tränen vom Gesicht.
    »Konzentriere dich.« Wieder blickte er auf die Armbanduhr. »Diese Stadt ist ein Traum. Keiner kümmert sich um den anderen. Ihr könnt in aller Ruhe verbluten, bevor euch jemand findet! Achtung jetzt. Showtime, die Zweite. Da kommt er!«
    Seine Stimme zitterte vor freudiger Erregung.
    * * *
     
    Jemand hatte ihn geschlagen. Ganz fest. Es klopfte unangenehm. Jörg drehte sich um, aber da war niemand. Ein unbändiges Lachen stieg aus seinem Bauch nach oben. Es musste raus. Jetzt sofort. Wer zuletzt lacht, lacht am besten. Er hatte das untrügliche Gefühl, dass er das war. Weil jetzt zuletzt war. Dieses Lachen ließ sich nicht bremsen oder steuern. Er beobachtete es auf Entfernung. Hübsch sah es aus. Es ähnelte einem Haufen Luftblasen unter Wasser. Lebendig. Ungeheuer lebendig und prickelnd drängte es ans Licht. Er konnte das Licht nicht sehen und auch das Lachen war sich nicht sicher. Es blubberte eine Weile in seinem Körper herum. Dann bemerkte es das Loch in der Brust. Das musste der Ausgang sein. Mit dem warmen, pulsierenden Strom, der dort beständig in die Freiheit drängte, konnte das Lachen hinausschwimmen.

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