Ich bin ein Mörder
versaut hat.«
»Ich fang gleich an zu weinen vor Rührung! Meine Alex hat Gewissensbisse? Sollte ich die nicht eigentlich haben?«
»Solltest du.«
»Habe ich aber nicht.«
»Verschwinde trotzdem – und nenn mich nicht Alex.«
Er angelte seine Hose vom Fußboden und schlüpfte, noch halb unter der Decke, umständlich hinein.
»Na gut. Dann gehe ich eben. Aber ich komme wieder.«
Sie warf ihm einen Socken an den Kopf.
»Das hoffe ich.«
* * *
Er konnte es nicht glauben. Diese Frau traf sich mit anderen Männern, statt sich des Privilegs bewusst zu sein, dass Er ihr seine Aufmerksamkeit schenkte. Sie hatte Ihn nicht verdient. Seine Lippen verzerrten sich in Abscheu. Unverdient, unverdient! Auch er verdiente es noch nicht, von Ihm bemerkt zu werden. Statt Ihm ein Geschenk zu machen, brachte er Ihm Ärger. Er presste die Hände auf die Schläfen. Sein Kopf schmerzte. Die Wut übermannte ihn, wenn er nur an die Frau dachte. Oder an die anderen Menschen, die Ihn zornig machten. Er war Sein Medium. Tief in seinem Herzen fühlte er Seinen Schmerz. Vielleicht würde es seine Aufgabe sein, diese Menschen aus Seiner Umgebung zu entfernen. Eliminieren.
Er nutzte jede Minute, die Lage zu sondieren, auszukundschaften, zu beobachten. Immer bereit, immer auf der Suche nach der Gelegenheit, dem perfekten Gedanken, der ihn zum Meister führte; ihm endlich die Chance gab, zu zeigen, dass er der wahre Schüler war. Gelehrig und wissbegierig. Er musste den Fehler von der Brücke ausmerzen. Sich selbst dafür zu bestrafen, stand ihm nicht zu, auch wenn er mehrfach daran gedacht hatte. Doch er würde einen Weg finden, seine Liebe zu beweisen. Er wusste, weshalb der Meister nach Frankfurt zurückgekommen war. Er kannte Seine geheimen Gedanken. Er wusste, wer Ihn fürchten musste. Er wollte Sein Werkzeug sein. Das Werkzeug der Angst und der Rache. Unerbittlich. Feuer und Schwert. Asche und Blut. Noch war er schwach. Tränen füllten seine Augen.
Für dich. Alles für dich.
Er schlug das Buch auf. Es gab noch viel zu lernen.
* * *
Sein Brustmuskel dehnte sich. In weitem Bogen führte Mischa die Hanteln über dem Kopf zusammen, die Arme im Ellbogen leicht gebeugt. Schulter und Oberarm arbeiteten zusammen, mit kraftvollen, ruhigen Bewegungen. Gleichmäßiges Heben und Senken. Keine Verzögerungen, kein Nachfedern, um die Gelenke nicht unnötig zu strapazieren. Ausatmen unter Belastung, einatmen bei Entlastung.
Zehn Wiederholungen, dann senkte Mischa die beiden Kurzhanteln auf die Brust und richtete sich auf.
Die Leiche auf dem Frachter, der verdächtige Pullover … Es war reine Zeitverschwendung, darüber nachzudenken, und auch nicht seine Sache. Neumaier bearbeitete den Fall.
Nach Gewicht sortiert, lagen die Hanteln in langer Reihe vor der Spiegelwand. Er wählte die Nächstgrößeren, ließ sich wieder rücklings auf der Bank nieder, stemmte die Füße in den Boden, um die Lage zu stabilisieren, und begann von Neuem. Auf und ab. Solange die Gewichte sich über ihm bewegten und er die Dehnung jeder Muskelfaser spürte, entspannten sich seine Gedanken. Sieben Züge. Pause.
Aber ich habe ja nichts Besseres zu tun, als nach Beweisen zu suchen, die es nicht geben wird.
Und noch einmal sieben. Mischa erhöhte das Gewicht stärker als geplant. Diesmal war es unmöglich, die Hanteln ohne Einsatz der Rückenmuskulatur zu drücken, wenn die Füße den Boden berührten. Um diesen Effekt zu umgehen und die Kraft ausschließlich aus dem Oberkörper zu ziehen, nahm er die Beine auf die Bank, überkreuzte die Füße in der Luft. Unter lautem Aufstöhnen hob er die Gewichte. Vier Mal. Er legte sie auf der Brust ab, keuchte, atmete durch, konzentrierte sich, hob sie erneut. Gespannte Sehnen, sichtbar klopfende Adern an Hals und Schläfen. Zufrieden beendete er die Übung, löste den Gürtel und zog die Handschuhe aus. Wenigstens das hatte er im Griff.
Aus der Sporthalle hörte er das Quietschen der Schuhe. Die unnachahmliche Mischung von Schweiß, Gummisohlen, Talkumpuder und Wachs füllte die Luft. Ein Geruch wie in jeder anderen Sporthalle. Aber diese hier war für ihn wie ein zweites Zuhause. Er hatte sämtliche Trainingszeiten der Sportgruppen in den Anlagen des Präsidiums im Kopf: Kraftsport, Boxen, Fußball, Selbstverteidigung, die ganze Palette, und wusste auch immer, wann er die Räume allein nutzen konnte.
Alexandra hatte recht, er war nicht besonders gern unter Menschen. Aber nicht erst seit der Sache mit
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