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Ich bin ein Mörder

Ich bin ein Mörder

Titel: Ich bin ein Mörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Pons
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Religion so schnell ab wie es eben geht. Tobias nicht. Er behielt es bis zum Abitur. Das Kollegium schloss insgeheim Wetten ab, ob sein Lehrer das durchhalten konnte. Er konnte nicht. Ein halbes Jahr vor dem Abitur meldete der Kollege sich krank. Burn-out. Den Begriff gab es damals noch nicht, aber das war es wohl. ›Stockmann-Syndrom‹ hieß es im Lehrerzimmer. Er war beängstigend und faszinierend. Ich war gerade erst fertig mit meiner Ausbildung. Ihm gegenüber habe ich pädagogisch versagt und meinen Job schlecht gemacht. Er hat mich mehr als einmal an meine Grenzen gebracht – und darüber hinaus. In mehr als einer Hinsicht.«
    »Wie meinen Sie das?«
    Frau Dr. Hübner-Seefelder sah Alexandra kurz in die Augen.
    »Können Sie sich das nicht denken?« Einen Moment lang schwieg sie und schaute aus dem Fenster. »Es hat mich beinahe meinen Job gekostet.«
    »Beinahe?«
    »Soll ich es Glück nennen?« Bitterkeit verursachte einen harten Zug um ihren Mund. »Wohl kaum. Er hatte mich in der Hand. Ich habe zu spät erkannt, welchen Preis ich zahlen musste. Für eine Nacht voller Seligkeit. Reine Berechnung. Nicht zu glauben, wie dumm die Liebe macht, nicht wahr?«
    Alexandra starrte auf ihre Hände und verschränkte die Finger, um das Zittern zu unterdrücken. Aber Sophia Hübner-Seefelder wusste längst Bescheid.
    »Willkommen im Club.« Sie sagte es tonlos, ohne Mitleid, ohne Spott. Dann schenkte sie sich ein weiteres Glas Wasser ein und fuhr mit ihrer Erzählung fort, als ob es sie nicht berührte.
    »Die drei hatten große Pläne. Ein Studium, Germanistik, Jura, Medienwissenschaften und dann gemeinsam eine Zeitung gründen. So was wie die Titanic. Nur besser und noch schärfer. Als sie zur Bundeswehr eingezogen wurden, erwartete ich eigentlich eine Totalverweigerung. Zumindest von Tobias und Kai. Sie waren die treibenden Kräfte. Aber sie gingen einfach hin. Vielleicht, um das System von innen zu unterwandern oder Recherche zu betreiben, Material für die Zukunft zu sammeln. Wer weiß? Danach ging irgendwie alles schief. Tobias brach das Jurastudium ab, begann plötzlich mit Medizin, aber auch nur für wenige Semester. Nebenbei schrieb er für einige Zeitungen, konnte aber keinen Job lange behalten. Zu ungezähmt. Dirk stand immer im Schatten der beiden anderen. Allein war er unauffällig, unscheinbar. Keine Ahnung, was aus ihm wurde. Kai zog das Studium als Einziger durch. Aber er fasste nie richtig Fuß im Leben. Ich traf ihn Jahre später, ganz zufällig, als er zu Besuch hier in Frankfurt war. Ein bissiger und bösartiger Alkoholiker. Es gab wohl schon seit langem keinerlei Kontakte mehr zwischen den Dreien. Auf Tobias war Kai nicht gut zu sprechen. Er nannte ihn einen Verräter. Warum hat er mir nicht gesagt.«
    * * *
     
    Die Wohnung befand sich im siebten Stock. Noch nie hatte Ricky Kramer solche Räume betreten. Groß. Weiß. Fast klinisch sauber. Leder, Lack und Chrom. Er wagte kaum, sich hinzusetzen. Fünf Tage. Unbehaglich betrachtete er die Bilder an der Wand. Dann tastete seine Hand nach dem Inhalt der Jackentasche. Das Knistern der Geldscheine beruhigte ihn ein wenig. Es war gutes Geld. Echt. Keine Blüten. Dafür hatte er einen Blick. Die Finger um das Papier gekrallt, ging er in Gedanken seinen Auftrag durch. Nichts aufschreiben, hatte der Mann gesagt. Was nirgendwo geschrieben steht, kann niemand finden. Keine Beweise. Er wollte nicht darüber nachdenken, was das bedeutete. Es ging ihn nichts an. Je weniger er wusste, desto besser.
    Der Anrufbeantworter. Nicht ans Telefon gehen, aber regelmäßig die Anrufe abhören. Ganz wichtig. Hörst du, ganz wichtig! Seine Augen huschten über die weißen Möbel. Die Hausbar ist links neben der Tür zur Küche. Trink ruhig. Aber erst, wenn du den Auftrag erledigt hast. Seine Zunge befeuchtete die Lippen. Erst, wenn du den Auftrag erledigt hast. Hörst du? Der Mann mit den vielen Scheinen in der Tasche konnte ungemütlich werden. Ganz bestimmt. Schnell schaltete er das Licht ein, die Stereoanlage, drückte auf den blinkenden Knopf neben dem Telefon. Seine Zunge klebte am Gaumen. Den Vorhang beiseite ziehen, das Fenster öffnen, Musik lauter drehen. Er kontrollierte die Liste in seinem Kopf. Nichts vergessen? Ganz sicher nichts vergessen? Seine Hände schwitzten beim Gedanken an die Augen des Mannes. Mach keinen Fehler, hörst du?
    * * *
     
    Wütend knallte Paula die Akte auf den Tisch.
    »Wieso hast du mir davon nichts erzählt? Bist du irre oder was?«

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