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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Variante gab, und war immer wieder überrascht von den vielen winzigen Damengeldbörsen, die man mir schenkte (und die, wie ich später erfuhr, eben Portemonnaies waren, wie Frauen sie trugen).
    Noch immer habe ich selbst mit alltäglichen Geldangelegenheiten Schwierigkeiten. Weil ich dazu erzogen worden bin, immer nur »Ja« zu sagen, kann ich keiner Verkäuferin etwas abschlagen. Mein Leben lang habe ich Dinge unterschrieben und manchmal auch Dinge gekauft, nur um dem Verkäufer einen Gefallen zu tun. In Konfliktsituationen lüge ich eher, als dass ich einfach sage, was ich denke. Wenn eine Immobilienmaklerin mir eine Mietwohnung zeigt, ist es mir furchtbar peinlich, sagen zu müssen, dass sie mir nicht gefällt. Ich erfinde lächerliche Lügengeschichten, um aus dieser doch eigentlich alltäglichen und unproblematischen Situation herauszukommen, und dann lade ich sie als Entschuldigung zu einem teuren Mittagessen ein.
    In einem langsamen und schmerzhaften Prozess stolperte ich also voran und entdeckte die vielen Fallstricke der finanziellen Verantwortung. Was ich nicht wusste, lernte ich, und aus meiner Erfahrung heraus denke ich, es wäre klug, Flüchtlingen aus fernen Ländern ein paar grundlegende Dinge beizubringen , bevor man ihnen Kredite gibt, bevor man ihnen Kreditkarten und Möbelkataloge in die Hand drückt, bevor sie in einer Subkultur des Schuldenmachens und Betrügens untergehen.
    In einer modernen westlichen Gesellschaft basiert die Finanzmoral der Bürger (wie ihre Sexualmoral) auf individueller Verantwortlichkeit. Innerhalb des Stammes konzentriert sich die Moral auf den Gehorsam gegenüber den Werten des Clans, und wegen der Verpflichtung, mittellosen Familienmitgliedern zu helfen, kommen jene, die mit ihrem Geld unverantwortlich umgehen, ungeschoren davon. Zur Loyalität gegenüber Stammesangehörigen in weit entfernten Ländern gehört es, Schulden zu machen, um Geld in die Heimat schicken zu können. Dadurch wird es schwierig, das Land, in dem man jetzt Staatsbürger geworden ist, als »Heimat« anzusehen, und zudem wirkt es sich negativ auf die eigenen Finanzen aus. Auf den ersten Blick mag es sehr großzügig scheinen, sein Einkommen mit der Großfamilie zu teilen, doch wenn man dafür Kredite aufnehmen muss, wiegen die langfristigen Kosten schwer.
    Ein Bürger muss Geld verdienen, damit haushalten und sparen können. Wir sind jedoch nicht mit diesen Fähigkeiten auf die Welt gekommen. Und vor allem muslimische Mädchen und Frauen haben sie auch nie erlernt. Ihre Unwissenheit in allen Gelddingen beeinträchtigt natürlich ihr eigenes Leben und hat außerdem zur Folge, dass ihre Familien auf Dauer arm bleiben. Diese Mädchen werden zu früh Mutter, und als Mütter bringen sie ihren Kindern wiederum nicht bei, was finanzielle Verantwortung heißt. Nur allzu gern glauben sie den Versprechungen der Kredithaie und leben weit über ihre Verhältnisse. In letzter Konsequenz führt das schließlich zur Abhängigkeit vom Sozialstaat, der sowieso schon überfordert ist.
    Einwanderung wird in Europa immer kritischer gesehen: Die Menschen haben den Eindruck, dass viele Immigranten die Hilfe, die sie von großzügigen Wohlfahrtsstaaten bekommen, nicht verdienen. Es heißt, dass Einwanderer das System überproportional häufig missbrauchen und parasitär leben. Diese Kritik muss man ernst nehmen, da der Bevölkerungsanteil von Zuwanderern mit einem Stammeshintergrund wächst.
    Mein Vorschlag ist nicht, die Einwanderer und ihre Kinder hinauszuwerfen, wie es einige populistische Politiker fordern, oder die Grenzen der westlichen Staaten zu schließen oder Sozialleistungen nicht mehr zu gewähren. Doch mein eigener Lernprozess in Sachen Finanzen und mein Wissen um die Schwierigkeiten der Klienten, für die ich dolmetschte – ebenso wie viele Studien zu Armut und Verschuldung von Immigranten, die ich als Parlamentarierin gelesen habe –, legen nahe, dass viele Menschen mit einem ähnlichen Hintergrund nicht mit der herrschenden Finanzmoral in den Ländern, die sie aufgenommen haben, vertraut sind. Statt ihre Kultur zu »respektieren«, sollten die Menschen im Westen, die es bedauern, dass die Immigranten so arm sind, sie unbedingt ermutigen, neue Einstellungen zu entwickeln, mit deren Hilfe sie ihre Armut überwinden können.

Kapitel dreizehn
GEWALT UND DIE ABSCHOTTUNG DES MUSLIMISCHEN DENKENS
    An meinen ersten Tag in der Koranschule in Mogadischu kann ich mich nicht erinnern. Ich muss damals drei oder vier

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