Ich bin eine Nomadin
westlichen Gesellschaft Fuß fassen können, braucht der Westen die christlichen Kirchen, sie müssen aktiv ihren Glauben verkünden. Der Westen braucht christliche Schulen, christliche Freiwillige, die christliche Botschaft. Die Saudis haben keine Skrupel, Jean-François oder Franz zu »wiedererweckten« Muslimen zu machen. Der Papst sollte seinen Glauben ebenfalls offensiv propagieren. Denn der Islam wird nicht etwa vererbt. Ein in den Niederlanden geborenes Kind muss nicht unbedingt Muslim werden, nur weil seine Eltern aus Marokko stammen.
Eigentlich gibt es keinen Grund dafür, dass Christen in den heruntergekommenen Vierteln Europas, wo die Dschihadisten derzeit nach Belieben schalten und walten, nicht ihrerseits Betreuungsprogramme nach der Schule, Jugendkreise, Sportvereine und Hausaufgabenhilfen einrichten. Religiöse Menschen sind im Allgemeinen erfolgreicher als staatlich bezahlte Sozialarbeiter, weil sie mehr Zeit investieren. Wenn die Nutznießer solcher ganz praktischer Hilfestellungen merken, dass sie von ehrenamtlichen Mitarbeitern kommen, ist das für sich allein schon eindrucksvoll. Für eine muslimische Hausfrau, die sieht, wie ihre Familie sich auflöst, die nicht weiß, wie sie Teenager in einer modernen Gesellschaft erziehen soll, deren Kind angefangen hat zu stehlen oder Scheiben einzuwerfen, die unablässig von Sozialarbeitern, Lehrern und Polizisten Forderungen und Ermahnungen zu hören bekommt, für eine solche Frau ist es eine enorme Erleichterung, wenn eine freiwillige Helferin kommt und regelmäßig wiederkommt, beim Hausputz mit anpackt und sagt: »Ich weiß, was Sie gerade durchmachen.« Dann fühlt die Hausfrau sich nicht mehr so allein mit ihren Sorgen.
Meiner Meinung nach brauchen wir heute für jede Medresse, jede Koranschule, in der Kinder und junge Erwachsene lediglich lernen, den Koran herunterzuleiern, eine christliche Schule. Häufig sind solche Schulen die Glanzlichter in einer sonst trostlosen Bildungslandschaft, insbesondere in den sozialen Brennpunkten. Sie bringen den Kindern mehr bei, als nur ein heiliges Buch auswendig aufzusagen. Sie unterrichten nicht nur den vollen Fächerkanon der Natur- und Gesellschaftswissenschaften, sondern lehren auch von einem Gott, der die Vernunft geschaffen und die Menschheit angewiesen hat, die Vernunft siegen zu lassen.
Bei diesem Wettstreit zwischen den Religionen haben die Christen gute Erfolgschancen. Das Glaubenssystem der Fundamentalisten stammt genau genommen aus einem sehr kleinen, arabischen Kulturkreis. Das ist in meinen Augen der größte Schwachpunkt. Mein Heimatland Somalia ist schon seit Jahrhunderten muslimisch, aber bis Mitte der Achtzigerjahre war es nie wahhabitisch. Zuvor war der Islam für die meisten Somalis lediglich eine Frage der Tradition und ein gelegentlich praktiziertes Ritual, nicht eine tägliche Übung. Frauen gingen häufig mit unbedecktem Kopf und trugen westliche Kleidung. Aber wenn Menschen sich entfremdet und verloren fühlen – wenn grundlegende Veränderungen in der Gesellschaft die Welt seltsam und fremd erscheinen lassen –, dann können sie für Einflüsse von außerhalb empfänglich werden.
Viele Menschen, die sich in wahhabitische muslimische Gruppierungen hineinziehen lassen, suchen nach spirituellem Trost und einem starken Gemeinschaftsgefühl in einer grausamen und beunruhigenden Welt. Als Teenager war ich selbst so ein Mensch. Auf ihrer Suche bekommen sie jedoch eine toxische Mischung aus arabischem Imperialismus und einem gewalttätigen, revolutionären Kult im Deckmantel einer Religion. Wenn man einer somalischen Frau in Whitechapel vorschlagen würde, Araberin zu werden, würde sie selbstverständlich empört ablehnen. Aber wenn man ihr großzügig eine milde Gabe zukommen lässt und an ihren Sinn für Ordnung und Güte appelliert, wenn man sie mit der Aussicht auf das Jenseits und seinen Strafen einschüchtert und wenn man die einzige Religion auf dem Markt ist, dann wird sie möglicherweise den Lockungen der Fundamentalisten erliegen. Und ihre Kinder werden für den Dschihad indoktriniert und rekrutiert. Diese Methode wandte die Hisbollah erfolgreich im Libanon an, und inzwischen greifen radikale Muslime in ganz Europa verstärkt darauf zurück.
Eine religiöse Überzeugung vermittelt Beistand im Unglück, die Sicherheit fester Regeln und ein angenehmes Gefühl der Selbstaufgabe und Unterwerfung. Ich erinnere mich noch gut an die tröstende Wirkung dieses Gefühls. Der Islam
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