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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Sozialämter Kinder mit Entwicklungsproblemen untersuchten. Einige Kinder hatten motorische Schwierigkeiten, weil ihre erschöpften Mütter sie viel zu lange in Gitterbettchen eingepfercht oder in Kinderwagen und Buggies festgeschnallt hatten. Andere waren in ihrer kognitiven und sozialen Entwicklung zurückgeblieben, besonders in ihren sprachlichen Fähigkeiten. Viele Kinder hatten ihre ersten Spielzeuge und Schreib- und Malstifte gesehen, als sie im Alter von vier oder fünf Jahren in die Schule kamen. Diese Kinder waren nicht auf die Herausforderungen eines Lebens in einer modernen Umwelt vorbereitet worden. Ihre Eltern hatten ihnen nicht die geeigneten Werkzeuge an die Hand gegeben.
    Wie würde es wohl meinem kleinen Neffen unter der Fürsorge seiner Mutter ergehen? Ihre Beschwerden über meine Mutter und Mahads Nachlässigkeit waren verständlich. Suban konnte kaum lesen und schreiben, aber sie wirkte stark, widerstandsfähig und würde wohl zurechtkommen. Doch wie meine Mutter sprach Suban nur Somali, und wie Ma verachtete sie die Kenianer. Wo würde dieses Baby zur Schule gehen? Suban war mit Bediensteten aufgewachsen – somalischen Bantus, sogenannten sab, die gewöhnlich fast wie Sklaven für die höheren Clans arbeiteten. Würde sie für ihren Sohn sorgen können? Und wie würde es ihm in Nairobi ergehen, ohne richtigen Vater? Mahad taugte wohl eher nicht zum Beschützer und Vorbild.
    Mahad und Suban waren in allem unterschiedlicher Meinung, egal, ob es um die Schuld an der Schwangerschaft oder um den Namen ihres Kindes ging. Mahad hatte den Namen Ya'qub ausgesucht; Suban wollte das Baby Abdullahi nennen, Sklave Allahs. Sie ähnelte meiner Mutter auch in ihrer fanatischen Religiosität und ihrer Vorliebe für arabische Namen und alles Arabische.
    Als ich meinen strampelnden Neffen auf dem Arm hielt, wurde mir zum ersten Mal klar, dass meine Familie aus der Sicht der vielen früheren Generationen keine Fortschritte, sondern vielmehr einen großen Sprung zurück gemacht hatte. Mein Großvater Magan hatte sich seinen Ehrennamen – Der Beschützer all jener, die er besiegte – verdient, indem er Land anderer Clans eroberte und sich aneignete. Mein Vater, sein Sohn, hatte das Leben eines sagenhaften somalischen Warlords hinter sich gelassen und war zum modernen politischen Führer geworden. Er hatte in Rom Italienisch und in Amerika Englisch studiert und war nach Somalia zurückgekehrt, um beim Aufbau des Staates zu helfen. Sein einziger Sohn, Mahad, war dagegen ein Schulabbrecher und nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Mahads Sohn wiederum würde in diesem winzigen, zellenähnlichen Zimmer in einer Somali-Enklave in Nairobi groß werden, wo die Straßen aus riesigen Schlaglöchern bestanden, bei Trockenheit voller Staub, bei Regen voller Schlamm.
    Früher war mir all das nicht ungewöhnlich vorgekommen. Doch jetzt, durch meine neuerdings holländischen Augen gesehen, war dieses ganze Viertel eine schwärende Wunde voller Krankheit und Armut. Ich kehrte zu Fuß zum Haus meiner Mutter zurück. Eastleigh platzte aus allen Nähten – unablässig strömten Flüchtlinge aus Somalia oder aus den riesigen Flüchtlingslagern an der Grenze ins Viertel. Und sie brachten Läuse, Krätze und Tuberkulose mit.
    Am Abend nach meinem Besuch erklärte Mahad mir, er wolle sich von Suban scheiden lassen. Ich fragte ihn nach dem Grund und dachte, er würde antworten: »Ich liebe sie nicht, ich hasse sie, ich will nicht mit ihr zusammen sein.« Ich erwartete so etwas wie: »Sie ist eine schlechte Frau, gehässig und boshaft, und ich kann sie nicht ertragen.« Stattdessen sagte er: »Sie hat mir versprochen, nicht schwanger zu werden, und ist doch schwanger geworden.«
    Ich war schockiert und fragte: »Wie meinst du das?«
    »Ich habe ihr beigebracht, wie man den Menstruationszyklus zählt«, sagte er. »Ich habe ihr erklärt, wann er anfängt, wann er aufhört und wann sie schwanger werden kann. Und sie hat mir versprochen, darauf zu achten. Sie hat mich betrogen.«
    Jetzt hatte ich große Mühe, meinen Zorn zu zügeln. Ich erklärte Mahad, wie unverantwortlich er sich verhielt und dass er jetzt einen gesunden Jungen hatte und Verantwortung trug. Ich schimpfte: »Du wolltest nur deinen Spaß mit ihr haben. Jetzt ist es schiefgegangen, und wie immer machst du dich aus dem Staub. Du willst keine Verantwortung übernehmen – du lässt das arme Mädchen im Stich, und du lässt dein Baby im Stich.«
    Mahad ballte

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