Ich bin eine Nomadin
Generell würden sie ihr Leben mit einem Minimum an staatlicher Einmischung führen.
Und genau darum ist Amerika wirklich ein völlig anderes Ziel für die größte Herausforderung, mit der die westliche Welt seit dem sowjetischen Kommunismus konfrontiert wurde: die Gefahr, die von einem radikalen Islam ausgeht.
* In den Niederlanden wurden seit den Sechzigerjahren alle möglichen Familienmodelle getestet: die BOM oder Bewust Ongehuwde Moeder (bewusst unverheiratete Mutter), der BOV oder Bewust Ongehuwde Vader (bewusst unverheiratete Vater), die Fernbeziehung, homosexuelle Familien mit zwei lesbischen Partnerinnen, eine davon die leibliche Mutter, und Kindern, und homosexuelle Männer, die Kinder adoptieren, sowie experimentelle Kommunen, die unterschiedlich groß und dauerhaft sein können, aber dem traditionellen Familienmodell Vater, Mutter, Kinder widersprechen.
Kapitel zehn
DER ISLAM IN AMERIKA
Je mehr ich durch die Vereinigten Staaten reiste und mit Menschen über mein Leben sprach, desto stärker fielen mir weitere Unterschiede diesseits und jenseits des Atlantiks auf. Amerikanische Zuhörer schäumten sichtlich vor Empörung über die Ungerechtigkeiten, die im Namen des Islam an Mädchen, Abtrünnigen und Ungläubigen begangen wurden, genau wie die Europäer. Nur interessierten sich die Amerikaner allem Anschein nach viel stärker für Lösungsmöglichkeiten, engagierten sich ehrenamtlich und beteiligten sich an Kampagnen, kurzum: Sie unternahmen etwas.
Auf der anderen Seite schienen die amerikanischen Zuhörer, obwohl ihre Wissbegierde schier grenzenlos war (bei allen meinen Vorträgen mussten Leute abgewiesen werden, weil die Säle zu klein waren), viel weniger als Europäer über die Probleme, von denen ich sprach, zu wissen.
Nehmen wir ein Beispiel: In Europa hat wohl jeder schon einmal von muslimischen Familien gehört, die Frauen bestrafen und ermorden, weil sie die Grenzen der Sitte und des Glaubens übertreten haben. Regelmäßig berichten die Zeitungen über solche Fälle. In fast jedem europäischen Publikum, vor dem ich sprach, haben die Zuhörer von mindestens einem brutalen Mord an einem jungen Mädchen gehört. Folglich ist den meisten europäischen Zuhörern klar, dass muslimische Einwanderer in ihren Ländern bestimmte soziale Probleme schaffen und häufig die Unterdrückung von Frauen auf europäischem Boden mit sich bringen. Aber in Amerika stellte ich immer wieder überrascht fest, dass die meisten Zuhörer den Islam weitgehend als ein außenpolitisches Problem wahrnehmen – allenfalls eine wichtige Frage der nationalen Sicherheit, aber im Grunde betrifft sie Menschen, die weit weg leben.
Bei meinen Vorträgen stockte den amerikanischen Zuhörern jedes Mal empört und erstaunt der Atem, wenn sie von Kinderheirat, Ehrenmord und Beschneidung von Frauen hörten. In den seltensten Fällen kam den Zuhörern in den Sinn, dass viele Frauen und Mädchen in Häusern und Wohnungen in den ganzen Vereinigten Staaten unter genau dieser Form der Unterdrückung leiden.
Grob geschätzt wurden weltweit hundertdreißig Millionen Frauen die Genitalien beschnitten. Täglich wird der Eingriff an schätzungsweise sechstausend kleinen Mädchen vorgenommen. Wenn 98 Prozent der somalischen Frauen, 95 Prozent der Frauen aus Mali, 90 Prozent der sudanesischen Frauen beschnitten sind, wie viele Frauen sind das dann in jedem U-Bahn-Wagen in New York, auf jeder Autobahn in Colorado und Kansas? Wenn 97 Prozent der ägyptischen Mädchen genital verstümmelt sind, wie hoch ist dann der Anteil ägyptischer Mädchen in den Vereinigten Staaten, die beschnitten sind? Kein einziges? Das kann ich mir nicht vorstellen. * Aber meine Zuhörer wollten nicht glauben, dass es so etwas in Amerika geben soll.
Genau die gleiche Ungläubigkeit war mir natürlich schon zehn Jahre zuvor begegnet, als ich in den Niederlanden begonnen hatte, die Genitalverstümmelung anzuprangern. Die Holländer waren ebenso entsetzt wie die Amerikaner, als sie davon hörten, aber mir wurde fortwährend gesagt, dass Einwanderer nach Europa genau wüssten, dass diese Praxis in Europa illegal sei, folglich passiere das mit den Kindern schlichtweg nicht mehr, sobald sie in die Niederlande gelangt seien. Ich hatte meine Zweifel. Als ich Abgeordnete im Parlament wurde und an der Verabschiedung eines Gesetzes mitarbeitete, das die Behörden beauftragte, die tatsächliche Situation zu prüfen, fanden wir reichlich Beweise, dass kleine Mädchen, ohne
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