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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Dschihad-Kämpfer ermordet worden. Am Donnerstag hörte ich auf dem Rückweg von einem Mittagessen im Autoradio von einer Schießerei auf einem Militärstützpunkt in Texas. Auf dem Boden der Vereinigten Staaten waren amerikanische Soldaten gestorben. Zunächst herrschte Konfusion um die Identität des Mörders. War er selbst Psychiater oder in psychiatrischer Behandlung? War er getötet worden oder lebte er noch? Sein Name Nidal Malik Hasan und sein militärischer Rang, Major, ließen mich aufhorchen.
    Sobald ich meine Termine absolviert hatte, ging ich online und suchte nach mehr Einzelheiten zu der Meldung. Ein Fernsehbericht klärte bereits etliche Fragen: Der Mörder war festgenommen worden und befand sich im Krankenhaus, er war Psychiater und nicht psychisch gestört, und es waren dreizehn Opfer. Als ich mir die Videoclips ansah, konnte ich mich eines Gedankens nicht erwehren: Das islamische Märtyrertum hat in Amerika Einzug gehalten. Nicht genug damit, es hat sogar das US-Militär infiltriert.
    Die Geschichte von Nidal Malik Hasan gleicht in vieler Hinsicht der von Mohammed Bouyeri, dem Mörder von Theo van Gogh. Freilich gibt es auch einige Unterschiede: Bouyeri wurde in Amsterdam geboren, sein Vater war als Gastarbeiter in die Niederlande gekommen, ursprünglich mit der Absicht, in seine Heimat Marokko zurückzukehren, sobald er genug Geld verdient hatte. Marokko ist ein armes Land, aber relativ friedlich. Malik Hasan hingegen war in den Vereinigten Staaten zur Welt gekommen als Sohn palästinensischer Eltern, die sich in Virginia niedergelassen und ein Restaurant eröffnet hatten. In den Palästinensergebieten herrscht dauernder Kriegszustand, die Familien leiden darunter. Deshalb hatten Malik Hasans Eltern beschlossen, in Amerika ein neues Leben zu beginnen und amerikanische Staatsbürger zu werden.
    Bouyeri war zum Zeitpunkt der Tat erst sechsundzwanzig, Malik Hasan war neununddreißig. Dieser Unterschied ist insofern bemerkenswert, weil er die gemeinhin akzeptierte Theorie infrage stellt, dass Männer in Maliks Alter eher Selbstmordmissionen planen als selbst durchführen. Bouyeris berufliche Karriere beschränkte sich auf ehrenamtliches Engagement für ein Gemeindezentrum, für das er sich um staatliche Unterstützung bemühte, während Malik Hasan es bis zum Major gebracht hatte und einen Abschluss in Psychiatrie vorweisen konnte. Malik Hasan tötete dreizehn Menschen, Bouyeri hatte seine ganze mörderische Energie auf die Tötung eines Mannes konzentriert (nach eigenen Aussagen wollte er mich ebenfalls töten).
    Die Ähnlichkeiten beider Fälle waren allerdings beängstigend: Beide Männer machten nicht in einem muslimischen Land (Marokko, die Palästinensergebiete oder Jordanien) Bekanntschaft mit dem radikalen Islam, sondern in säkularen Demokratien wie den USA und den Niederlanden. Beide entwickelten eine so starke Abscheu gegen ihr Gastland, dass sie ihre Mitbürger töten wollten. Beide beriefen sich bei ihrer Gräueltat auf Allah und erklärten, sie hätten mit dem Mord Allah einen Dienst erweisen wollen. Beide waren davon ausgegangen, dass sie bei der Tat umkommen und ein shaheed oder Märtyrer werden würden. Stattdessen wachten beide Männer in den Händen der Ungläubigen in einem Krankenhaus auf. Der eine sitzt inzwischen für den Rest seines Lebens in einem niederländischen Gefängnis, den anderen erwartet vermutlich die Todesstrafe.
    Außerdem fiel mir eine noch verblüffendere Parallele zwischen den beiden Anschlägen auf: die merkwürdige Reaktion auf die beiden Vorfälle in den holländischen Medien 2004 und in den amerikanischen 2009. Merkwürdig deswegen, weil offenbar sämtliche Erklärungsversuche als plausibel gelten konnten, bis auf den einen, den die Mörder selbst genannt hatten: ihre Religion.
    In beiden Ländern wurden die Killer so dargestellt, als hätten sie die Diskriminierung sattgehabt. Bouyeri hatte angeblich keine andere Wahl, weil Theo van Gogh marokkanische Jugendliche als »Ziegenficker« beschimpfte. In Amerika haben die beim Militär gebräuchlichen Schimpfwörter für Araber im Irak wie »Kamelreiter« ähnliche Bedeutung. In beiden Ländern forschten Psychologen in den Seelen der Mörder nach Erklärungen. Viel Wirbel wurde auch um den Umstand gemacht, dass nur wenige Tage vor Bouyeris Attentat seine Mutter gestorben war (eines natürlichen Todes). Der Schock und die Trauer über ihren Tod wurden als mögliche Triebfedern für den Mord an Theo van Gogh

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