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Ich bin eine Nomadin

Ich bin eine Nomadin

Titel: Ich bin eine Nomadin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayaan Hirsi Ali
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Rechtlosigkeit zu begegnen, reicht es nicht, die eigene Verbitterung und den eigenen Zorn zu zeigen. Man muss die Sprache des Unterdrückers sprechen und die Klarheit des Verstandes besitzen, um die Prinzipien zu erkennen, die die Unterdrückung rechtfertigen, und sie dann intellektuell aushebeln. Sklaven müssen sich der Tatsache bewusst sein, dass sie Sklaven sind, und dann Zorn und Schmerz überwinden, um ihre Herrn von der Ungerechtigkeit der Versklavung zu überzeugen. Wenn man sich nicht mithilfe von Gewalt durchsetzen kann, dann vielleicht auf längere Sicht durch den Appell an die Vernunft.
    Mädchen wie Hiran und Ladan, die es mit einem gewaltigen Freiheitsdrang schaffen, die Kontrolle ihre Eltern abzuschütteln, scheitern oft katastrophal, weil ihnen eben jene lebenswichtigen Fähigkeiten fehlen und sie die Mechanismen nicht durchschauen. Auf die Beispiele solcher Mädchen verweisen dann traditionelle muslimische Eltern, wenn sie behaupten, dass der westliche Lebensstil furchtbare Auswirkungen habe. Fundamentalisten, die in eine fiktive Vergangenheit des reinen Islam zurückkehren wollen, gewinnen die Sympathie muslimischer Familien, wenn sie die Geschichten von Mädchen wie Hiran und Ladan erzählen.
    Wären sie im Westen aufgewachsen, hätte sich womöglich alles anders entwickelt. In allen westlichen Ländern ist gesetzlich festgelegt, dass Mädchen auch nach der Pubertät noch zur Schule gehen müssen; diese Gesetze werden notfalls mit Zwang durchgesetzt. Besondere Programme füllen das Vakuum, das muslimische Eltern in Bezug auf das Wissen über Sex, Drogen und finanzielle Unabhängigkeit hinterlassen haben. Je mehr muslimische Mädchen eine Ausbildung haben, desto mehr werden finanziell unabhängig und erfolgreich, und letztlich müssen sogar muslimische Eltern erkennen, dass die Emanzipation ihrer Töchter durch eine gute Schulbildung auch in ihrem materiellen Interesse liegt, selbst wenn sie mit ihren traditionellen Werten kollidiert.

    Eine letzte Bemerkung noch zum Thema der sexuellen Komplexe muslimischer Einwanderer. Zu behaupten, dass die Unterdrückung der Frauen nichts mit dem Islam zu tun habe und »nur« eine traditionelle Sache sei, ist intellektuell unredlich – ein Köder. Beides hängt eng zusammen. Der Ehrenkodex mag in seinen Ursprüngen vorislamisch sein und auf die Stammeskultur zurückgehen, er ist aber heute ein integraler Bestandteil der muslimischen Religion und Kultur. Die Praxis der Ehrenmorde beruft sich auf eine Tatsache, die auch der Islam bestätigt: Frauen sind Männern untergeordnet und müssen ihr sexuelles Eigentum bleiben.
    Im Text des Korans und in der Scharia-Rechtsprechung sind Männer und Frauen selbstredend nicht gleich. Muslimische Frauen gelten als körperlich, emotional, intellektuell und moralisch minderwertig und sie haben weniger Rechte als Männer. Der Koran bestimmt, dass Töchter nur halb so viel erben sollen wie Söhne: »Allah schreibt euch hinsichtlich euerer Kinder vor, dem Knaben zweier Mädchen Anteil zu geben« (Sure 4,11). Eine weibliche Zeugenaussage vor Gericht ist nur halb so viel wert wie eine männliche Aussage. Selbst im Fall einer Vergewaltigung zählt die Aussage des Opfers nur halb so viel wie die des Vergewaltigers.
    Die Befehlsgewalt des muslimischen Vaters über seine Töchter ist mit der eines Feudalherrn über Leibeigene zu vergleichen. Durch die Hochzeit geht sie auf den Ehemann des Mädchens und letztendlich auf dessen Vater über. Eine Eheschließung ist ein Vertrag unter Männern, zu dem auch zukünftige gegenseitige Unterstützung und Verpflichtungen gehören. Sie kann eine bedeutsame finanzielle Transaktion besiegeln oder als Allianz Clanbeziehungen stärken. Das Jammern der widerstrebenden Braut, die einem Fremden übereignet wird, gehört nun mal ärgerlicherweise dazu. Der Koran und die Hadithe, die Worte des Propheten (die beiden heiligen Schriften des Islam), stimmen darin überein, dass die Frau nicht in die Ehe einwilligen muss; nur die Zustimmung ihres Vormunds ist erforderlich.
    Nach dem Koran darf ein Mann seine Ehefrau zu Hause gefangen halten – wenn er will, bis zu ihrem Tode: »Und wer von eueren Frauen etwa Widerwärtiges begeht: Nehmt vier von euch als Zeugen gegen sie. Und wenn sie es bezeugen, schließt sie in die Häuser ein, bis der Tod sie nimmt oder Allah ihnen einen Ausweg zeigt« (Sure 4,15).
    Frauen, die unter dem islamischen Recht leben, dürfen ohne die Erlaubnis ihres Vaters nicht reisen, nicht

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