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Ich Bin Gott

Titel: Ich Bin Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giorgio Faletti
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Russell im Lagerraum des Hauses, in dem er nicht mehr wohnte, ein paar Sachen in zwei Taschen gepackt hatte.
    Er nahm das Notebook heraus, stellte es auf den Tisch und schaltete es an. Zu seiner Überraschung fand er eine unverschlüsselte WLAN-Verbindung und hatte sofort Zugang zum Internet.
    Er kontrollierte sein Postfach. Nur wenige Mails waren gekommen, und alle hatten denselben Tenor. Time Warner Cable erläuterte, warum man die Dienstleistungen einstellte. Eine Agentur erklärte ihm, weswegen er bald ein Schreiben von einem Anwalt bekommen würde. Und Ivan Genasi, ein befreundeter und äußerst fähiger Fotograf, erkundigte sich, wo zum Teufel er steckte. Er war der Einzige, dem er kein Geld schuldete. Die anderen Mails hatten alle fehlende Zahlungen und ausstehende Rückzahlungen zum Inhalt. Russell fühlte sich miserabel. Er hatte das Gefühl, in die Privatsphäre eines anderen Menschen eingedrungen zu sein, so fremd war ihm der Mann, der diese ganzen Nachrichten verschuldet hatte.
    Russell schloss das Mailprogramm und öffnete ein neues Word-Dokument. Er überlegte einen Augenblick, dann beschloss er, der Datei den Namen » Vivien« zu geben. Zunächst notierte er einige der Gedanken, die ihm seit Beginn dieser Geschichte durch den Kopf gegangen waren. Jedes Mal hatte er sich einen Knoten in ein geistiges Taschentuch gemacht, und nun begannen die Worte plötzlich zu fließen, als gäbe es eine direkte Verbindung zwischen seinen Gedanken, seinen Händen und den Notebooktasten. Er ließ sich von der Erzählung packen. Oder war er es, der die Erzählung packte und sie in schwarze Buchstaben auf dem hellen Bildschirm vor ihm verwandelte? Er wusste es nicht, und es war ihm auch egal. Ihm genügte das Gefühl der völligen Hingabe, die er in diesem Moment verspürte. Viviens Stimme überraschte ihn, als er schon fast zwei Seiten geschrieben hatte.
    » Du kannst ins Bad, wenn du willst.«
    Russell drehte sich um. Sie trug einen leichten Hausanzug und Flip Flops. Eine Aura von Frische und Unschuld ging von ihr aus. Russell hatte gesehen, wie sie einen Mann, der dreimal so viel wog wie sie, abgewehrt und ihn unschädlich gemacht hatte. Er hatte gesehen, wie sie die anderen Männer mit einer Pistole in Schach gehalten hatte. Er hatte gesehen, wie sie einen Vollidioten wie einen Putzlappen behandelt hatte.
    Er hatte gedacht, dass sie eine gefährliche Frau sei, aber erst in diesem Moment, da sie wehrlos vor ihm stand, begriff er, wie gefährlich sie tatsächlich war. Spontan drehte er sich um und betrachtete den Rahmen auf der Kommode, aus dem ihn eine Frau und ein junges Mädchen anlächelten. Viviens natürlicher Platz, dachte er, war auf diesem Foto, wo sie mit den beiden in Schönheit vereint wäre.
    Dann schaute er wieder zu ihr hinüber und sah sie an, bis sie ihn zurückholte.
    » Was ist denn mit dir los?«
    » Wenn diese Geschichte eines Tages vorbei ist, musst du mir erlauben, Fotos von dir zu machen.«
    » Von mir? Du machst Witze.«
    Vivien deutete auf das Foto.
    » Meine Schwester ist das Model der Familie. Ich bin die, die fast schon ein Mann ist. Außerdem bin ich Polizistin, falls du dich erinnerst. Ich wüsste nicht einmal, wie ich mich vor einem Objektiv verhalten sollte.«
    So wie jetzt, wäre völlig ausreichend, dachte Russell.
    Und er sah, dass ihr der Vorschlag trotz der ausweichenden Antwort gefiel. Er sah aber auch ihre Überraschung und eine unerwartete Schüchternheit, die sie vielleicht sonst kaschierte, indem sie den Leuten ihre Polizeimarke hinstreckte.
    » Ich meine es ernst. Versprich es mir.«
    » Red keinen Unsinn. Und jetzt raus aus meiner Küche. Ich habe dir saubere Handtücher ins Bad gelegt.«
    Russell speicherte die Datei auf dem Desktop ab und nahm ein paar saubere Kleidungsstücke aus der Tasche. Dann ging er ins Bad, wo er auf einem Regal neben dem Waschbecken einen Stapel Handtücher fand. Er zog sich aus, drehte in der Dusche den Wasserhahn auf und stellte fest, dass die Temperatur, die Vivien eingestellt hatte, auch für ihn genau richtig war.
    Ein Detail. Eine Idiotie. Doch irgendwie gab es ihm das Gefühl, zu Hause zu sein.
    Er stellte sich unter den Strahl, und Wasser und Schaum spülten die Müdigkeit und die Gedanken an die letzten Tage fort. Nach dem Erlebnis mit Ziggy und der Explosion hatte er sich zum ersten Mal in seinem Leben wirklich allein gefühlt, ohnmächtig angesichts dieser Verantwortung, die so schwer zu tragen war. Jetzt aber war er hier und war Teil von

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