Ich Bin Gott
eine schlaflose Nacht hinter sich. Bei Russells Anblick machte sich Missbilligung auf seinem Gesicht breit.
Ohne Russell und Vivien Beachtung zu schenken, wandte er sich an seinen Vorgesetzten.
» Captain, ich habe hier die Ergebnisse der Recherchen, die Sie in Auftrag gegeben haben.«
Er klang, als hätte er eine schwierige und lästige Arbeit verrichtet, für die er sowieso keine Anerkennung bekommen würde. Der Captain nahm die Mappe, schlug sie auf und überflog rasch die Seiten.
Dann sprach er, ohne von dem Dokument aufzusehen.
» Sehr gut, Tyler. Sie können gehen.«
Der Detective zog von dannen und ließ den Geruch von halb aufgerauchten Zigaretten und schlechter Laune zurück. Bellew wartete, bis er sich weit genug von der Tür entfernt hatte, bevor er Russell und Vivien über den Inhalt der Mappe informierte.
» Ich habe verschiedene Dreiergruppen auf die Sache angesetzt, ihnen aber natürlich nur das Nötigeste erklärt. Das sind die ersten Ergebnisse.«
Er wandte sich wieder den Blättern in seinen Händen zu.
» Das Haus, das auf Long Island explodiert ist, gehörte einem Offizier, einem gewissen Major Mistnick. Offenbar war er auch in Vietnam. Das heißt zwar erst einmal gar nichts, ist aber dennoch eine interessante Tatsache. Das Haus wurde von einem kleinen Unternehmen aus Brooklyn gebaut, Newborn Brothers. Die Firma, die das Hochhaus in der Lower Eastside errichtet hat, heißt Pike’s Peak Buildings. Was das angeht, haben wir wirklich Glück. Die Geschäftsleitung hat mit der Archivierung ihrer Daten schon vor längerem eine IT-Firma betraut. Alle Daten sind elektronisch erfasst, also kann man sie rasch durchsuchen, selbst die älteren Bestände.«
» Das ist eine gute Nachricht«, sagte Vivien.
» Es gibt noch eine.«
In Bellews Stimme lag kein Überschwang.
» Das Unternehmen, das die 12 th Avenue renoviert hat, hat auch die Lagerhalle in Hell’s Kitchen gebaut, die heute Nacht explodiert ist. Das war ein öffentlicher Auftrag, deswegen musste sich die Firma an die Unions wenden, und die wiederum müssen ihre Daten über Jahre hinweg aufbewahren. Dann kümmern wir uns noch um die Firma, die damals das Gebäude an der 23 rd Street renoviert hat, wo die Leiche gefunden wurde. Wenn es uns gelingt, die Namen aller Leute zu bekommen, die auf den vier Baustellen gearbeitet haben, können wir sie vergleichen und schauen, ob es Übereinstimmungen gibt.«
Bellew fuhr sich durch die Haare. Vielleicht dachte er, dass er für die Prüfung, die er im Moment bestehen musste, zu alt war.
» Es ist nur eine vage Spur, aber die einzige, die wir haben. Ich bitte den Chef um Verstärkung und setze sofort so viele Leute dran wie nur möglich. Ich werde sagen, dass es sich um einen RFL-Code handelt.«
Russell zog die Augenbrauen hoch.
» RFL-Code?«
Vivien erklärte es ihm.
» Das ist ein Code, den es eigentlich gar nicht gibt, den aber jeder Polizist in New York kennt. RFL steht für Run for Life. Das bezeichnet die Fälle, in denen Schnelligkeit das Allerwichtigste ist.«
Sie sah ihren Chef an. Nach einem Moment der Verzagtheit war er nun wieder der entschlossene Profi, den Vivien kannte.
» Du sprichst mit denen von Newborn Brothers. Wenn das eine kleine Firma mit wenigen Arbeitern ist, dann ist der direkte Kontakt vielleicht besser. Vielleicht erinnert sich irgendjemand an irgendetwas. Ich bitte die Zentrale, dir die Nummer zu beschaffen. Wenn du unten ankommst, wird der diensthabende Kollege sie haben.«
Vivien war froh, aufstehen zu können. Es war genug geredet worden. Jetzt war Zeit zum Handeln. Beim Hinausgehen hörten sie Bellews Stimme, der schon am Telefon war, um das Versprochene anzufordern.
Russell ging vor ihr die Treppe hinunter und zog den Duft nach Mann und Rasierwasser hinter sich her. Vivien spürte noch seine Lippen in der Ellbogenbeuge und seine Hand in ihrem Haar. Und sah jetzt noch vor sich, wie das blendende Licht und der Donner sie mit einem Schlag aus dem gestohlenen Moment herauskatapultiert hatten.
Nach der Explosion hatten sie sich rasch angezogen. Keiner hatte etwas gesagt. Die Vorstellung, was draußen geschehen sein mochte, hatte ihnen die Sprache verschlagen. Sie gingen ins Wohnzimmer und schalteten den Fernseher ein. Nach wenigen Minuten unterbrach NY 1 die aktuelle Sendung und brachte die Nachricht vom Anschlag. Auf der Suche nach den aktuellsten Informationen zappten sie sich durch die Kanäle. Der Zauber des Augenblicks war verflogen, verloren zwischen den
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