Ich Bin Gott
lagen zum ersten Mal keine Schatten. Jetzt wusste Vivien, dass sie mit Sundance ganz anders sprechen könnte. Dass die sie verstehen würde.
» Irgendetwas geschieht in dieser Stadt. Etwas ganz Böses, das vielleicht viele Menschenleben kosten wird. Deshalb ist die gesamte New Yorker Polizei in Alarmbereitschaft, und deshalb muss ich heute Abend ins Revier. Um alles dafür zu tun, damit das, was gestern passiert ist, nicht noch einmal passiert.«
Sie ließ Sundance einen Moment Zeit, um ihre Worte zu erfassen und um sie auf das vorzubereiten, was sie nun sagen würde.
» Doch eines verspreche ich dir. Ich werde keine ruhige Minute mehr haben, bis ich diesen Mann gefunden und eingesperrt habe, damit er keinem mehr wehtun kann. Niemals wieder.«
Sundance nickte nur. Im Moment waren keine Worte mehr zwischen ihnen nötig. Vivien startete den Motor und fuhr in Richtung Joy, das noch für eine ganze Weile das Zuhause ihrer Nichte sein würde. Sie hätte Reverend McKean gerne von den Fortschritten berichtet, doch während sie sich durch den Verkehr schlängelte, setzte sich ein anderer Gedanke in ihrem Kopf fest. Wer auch immer dieser ungreifbare Ziggy Stardust war, sie würde ihm das Leben zur Hölle machen.
17
Vivien betrat durch die Glastür das Revier.
Der strahlend blaue Vormittag, der nicht die geringste Lust verspürte, ihr zu folgen, blieb draußen zurück. Sie tauchte ein in die farblose Welt mit ihren Kacheln, die einmal weiß gewesen waren. Normalerweise war dies ein vertrauter Ort, ein Grenzposten inmitten der Zivilisation, der ihr trotz allem das Gefühl vermittelte, zu Hause zu sein, ein Gefühl, das ihr überall sonst abhandengekommen war.
Heute war alles anders. Heute lag etwas Sonderbares in der Luft, eine Unruhe und Anspannung, die sie nicht näher bezeichnen konnte. Sie hatte einmal gelesen, dass der kriegerische Mensch sich in Friedenszeiten selbst bekämpft, und fragte sich, was für einen Krieg man in nächster Zeit zu führen haben würde. Und wie viel Raum jedem Einzelnen von ihnen bleiben würde, um seine eigenen kleinen oder großen Konflikte auszutragen.
In einem Polizeirevier war Friede kein Wartezustand. Er war ein Traum.
Sie winkte den diensthabenden Beamten hinter dem Tresen zu, ging zum Treppenhaus und ließ den Sitzungssaal links liegen. Dort hatte am Abend zuvor Captain Alan Bellew alle, die in dem Moment nicht im Dienst gewesen waren, über die Lage informiert. Auf das Pult gestützt, hatte er ihnen das Szenario erläutert.
»Wie ihr alle mitbekommen habt, ist die Sache wirklich schlimm. Mittlerweile steht fest, dass die Explosion im Gebäude an der 10th Street auf ein Attentat zurückzuführen ist. Die Experten haben Spuren von Sprengstoff der übelsten Sorte gefunden. TNT in Verbindung mit Napalm. Das ist das einzige Detail, das die Presse noch nicht kennt, doch sie wird es, wie immer, sicherlich bald erfahren. Wer das getan hat, war auf größtmögliche Zerstörung aus, denn er hat es zusätzlich zur Sprengkraft noch auf die Brandwirkung angelegt. Das Gebäude ist mit chirurgischer Präzision vermint worden. Wie die Attentäter es geschafft haben, die Sprengladungen so präzise anzubringen, ohne dass es jemandem aufgefallen ist, bleibt ein Rätsel. Ich muss euch nicht erst sagen, dass alle an dem Fall dran sind, FBI, NSA und so weiter. Und wir natürlich.«
Bellew machte eine Pause.
» Heute Vormittag bei der Sitzung im Büro des Chefs waren auch der Bürgermeister und, in Vertretung des Präsidenten, ein paar hohe Tiere aus Washington. Die DEFCON-Stufe wurde hinaufgesetzt. Wir befinden uns nun in nationalem Alarmzustand. Alle Militärbasen und Militärflughäfen sind in höchster Einsatzbereitschaft. Die CIA arbeitet auf Hochtouren. Ich sage das, damit ihr kapiert, wie Amerika in diesen Tagen tickt.«
Vincent Narrow, ein großer, kräftiger Detective, der in der ersten Reihe saß, hob die Hand. Der Captain erteilte ihm das Wort.
» Hat sich jemand zu dem Anschlag bekannt?«
Das fragten sich alle. Obgleich es doch schon einige Zeit zurücklag, waren die Gespenster des 11 . September noch lange nicht vertrieben.
» Nein, niemand. Im Augenblick weiß man nicht mehr als das, was im Fernsehen gebracht wird. Al-Qaida hat im Internet verlauten lassen, dass sie nichts damit zu tun hat. Informatikexperten sind dabei, die Glaubwürdigkeit dieser Nachricht zu prüfen. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass es eine andere Gruppe von Fanatikern irgendeiner Couleur war, doch
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