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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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Schuhabdrücke, die vom Untersuchungszimmer bis zum Parkplatz verlief und dort vor seinen Füßen endete. Ein paar Minuten später, wieder in seiner Praxis, bemerkte er nicht, wie die Eingangstür aufging, hörte nicht die Schritte, die sich der Tür des Untersuchungszimmers näherten, und sah seine Frau erst, als sie einen knappen Meter vor ihm stand.
    Manju und Gopi blickten einander schweigend an. Sie musterte die bestürzte Miene ihres Mannes und betrachtete seinen Untersuchungskittel. Sie sah die blutverklebten Instrumente und erinnerte sich wieder an Dilip Shenoys eigenartigen Gesichtsausdruck am Tag zuvor im Tempel, an die Stimme am Telefon, als sie einen Termin vereinbaren wollte. Sie drückte das Bibliotheksbuch in ihren Armen fester an sich und dachte an Gopis seltsame Witze im Schlafzimmer und seine immer abstruseren Erfolgsgeschichten vom Fernseherverkauf. Und sie erinnerte sich an die Lügen, die Gopi sein Leben lang allen aufgetischt hatte.
    Und Gopi – erschöpft und ausnahmsweise einmal harmlos – nahm ihr wortlos das Buch mit dem Lesezeichen und den eingeknickten Seiten aus den zitternden Händen und blickte stumm auf die Bilder darin: die Eierstöcke einer Frau, aufgedunsen und mit Blasen übersät auf einem Sektionstisch, und daneben ein Schild mit der Aufschrift inoperabel. Die stumpfe Angst in seinem Blick war für Manju nicht zu übersehen.
    »Was ist los?«, fragte Manju. Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Nase. »Sie sind doch so ein berühmter Arzt. Können Sie mir nicht helfen? Hm?«
    Gopi wusste für einen Moment nicht, ob seine Frau naiv war oder sich über ihn lustig machte, doch irgendetwas an ihrem Ton forderte eine Antwort.
    »Ich kann es versuchen«, sagte er einfach.
    Es gibt jene, die bis heute nicht akzeptiert haben, was als Nächstes geschehen sein muss. Sie verstehen nicht, was Manju ein paar Augenblicke lang in Gopi sah, jetzt gegen Ende unserer Geschichte. Doch es wohnt manch unglückseligem Leben eine beruhigende Gewissheit inne; die Angst hat keinen Raum in jenen, die bereits dem Schicksal geweiht sind, und als Manju ihren Mann so vor sich sah, erschöpft und ängstlich und vom Blut eines anderen bedeckt, überkam sie eine Art Ruhe. Und könnte es nicht sein, dass Manju das Jod und das Novocain, das Skalpell und die Nadeln in Gopis Untersuchungszimmer selbst entdeckte? Manju legte sich auf den Behandlungstisch – genau im selben Moment, als die Ärzte aus dem Manvel General, denen Sandra alles erzählt hatte, bei der Polizei anriefen.
    Gopi war immer noch nervös, keine Frage. Er brauchte eine Weile, um die hoffnungslose Klarheit der Situation zu begreifen. Aber Manjus Ruhe beruhigte sicher auch ihn, und bald verstand er, dass es für keinen von ihnen beiden außerhalb dieses Raumes noch irgendeine Rettung gab. Selbst die Nachrichtensender hatten Wind von der Geschichte bekommen – hörte nicht der eine oder andere von uns den Namen im Radio und fragte sich, wer wohl dieser Arzt war und ob wir ihn vielleicht einmal bei einer Feierlichkeit getroffen hatten? Ganz allein und ohne zu fragen, griff Gopi zum Skalpell, und er wusste, dass schon bald die roten und blauen Lichter durch die Ritzen der Jalousie dringen würden. Wir sind bei den beiden, während er das Skalpell zur Hand nimmt und Manju in die Augen schaut, wohl wissend, was die Polizisten machen würden, wenn sie gleich zur Tür hereinkommen und sehen würden, was er zu tun im Begriff war.
    Aber jetzt waren diese besorgten Polizisten noch meilenweit entfernt auf dem Highway. Vicentes Freunde waren bereits zur Arbeit gefahren. Die Angestellte der Reinigung kam wie immer zu spät. Nur die mageren Kühe auf dem fast kahlen Feld konnten die Geräusche aus dem tristen Bürogebäude hören, und deshalb gibt es einige, die stets Zweifel behalten werden – die mit derselben trägen Zuversicht, mit der die Kühe wartend und taub und blind für ihr eigenes Schicksal oder das von irgendjemand anderem in der Mittagssonne standen, an ihrer Version festhalten – und die nie glauben werden, was geschah, als Manju an sich hinabsah, Dr. Gopalarajans sicheren Handbewegungen folgte und lächelte.

Viermal Rajesh
    Sieh dir dieses vergilbte Foto an, Rajesh , das du auf einem Antiquitätenmarkt in Südindien gekauft hast, eine Aufnahme meiner vornehmen Person: ein Brahmane der Jahrhundertwende in einem steifen weißen Vaishti mit Goldband am Saum und einem dunklen Mantel, elegant bis zum Hals geknöpft, vor der Lehmmauer

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