Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
Manju langsam vor. »Spezialist für Allgemeinmedizin, Fachgebiet Frauenheilkunde.«
Schließlich wandte sich Dilip frohlockend an Manju. »Aber du kennst doch Dr. Gopalarajan, oder etwa nicht?«
Manju schüttelte den Kopf.
»Nein?«, fragte Dilip mit einem beißenden Lächeln. »Aber er ist doch der Frauenarzt schlechthin. Die Gynäkologie ist eins der schwierigsten Fachgebiete der Welt, und er ist eine absolute Koryphäe.«
»Ach ja?«
In gespieltem Ernst erhob Dilip den Zeigefinger. »Wenn etwas unheilbar ist«, sagte Dilip, der kein Mann der Tat war, sondern sich stets auf gemeine Anspielungen beschränkte und erst einmal damit zufrieden war, Gopi Angst eingejagt zu haben, »wenn etwas unheilbar ist, frag Gopalarajan, er weiß ein Mittel!« Gab es nach dieser Begebenheit noch Hoffnung für die arme Manju, für irgendeinen von ihnen beiden?
Als am nächsten Morgen bei Gopi in der Praxis das Telefon klingelte – eigentlich ist es unglaublich, aber auf gewisse Weise auch wieder nicht –, erkannte er die Stimme seiner Frau zuerst gar nicht.
»Wer spricht, bitte?«, fragte er, und sie buchstabierte ihren Namen, wie er es in Gegenwart anderer so oft gehört hatte.
»M wie Mary, A-N wie Nancy, J-U-K-U-M wie Mary, A-R.«
Auf diesen Moment war Gopi nicht vorbereitet, doch binnen Sekunden kam ihm seine Schlagfertigkeit zu Hilfe. Er atmete ein und fragte fast ohne nachzudenken: »Fehlt Ihnen etwas, Madam?« Er sprach in einem schroffen Ton, von dem er hoffte, dass seine Frau ihn nicht erkennen würde.
»Ja«, antwortete Manju. »Deshalb ruft man ja einen Arzt an, nicht wahr? Kann ich bitte einen Termin vereinbaren?«
Gopi staunte, als er feststellte, dass Manjus Stimme, anonym am anderen Ende der Leitung, eine Autorität besaß, derer er sich im wirklichen Leben nie bewusst gewesen war, und plötzlich zweifelte er, ob er wirklich in der Lage wäre, sich durch die Situation hindurchzumogeln.
»Hallo?«, fragte Manju.
Die Stille dauerte an, und jetzt überkam ihn die Panik. Er legte auf, und als das Telefon erneut klingelte, nahm er nicht ab.
Gopi blieben nur ein paar Sekunden, um sich zu fragen, was mit seiner Frau eigentlich los war, bevor er wieder unterbrochen wurde, diesmal von Vicente und Sandra, die zur Tür hereinkamen. Sie hielten einander steif an der Hand.
Als Gopi ihre Gesichter sah, erschrak er. »Entschuldigen Sie die Störung, Doktor«, sagte Vicente. »Aber wie es aussieht, könnte es da ein Problem geben.«
»Ich habe alles ordnungsgemäß durchgeführt«, sagte Gopi. »Was für ein Problem? Es ist alles in Ordnung.« Sandra wurde rot, und Vicente sah zuerst sie an und dann Gopi. Dann brach er in Tränen aus.
»Er hat Schmerzen«, versuchte Sandra zu erklären, während sie und Gopi warteten, bis Vicente sich wieder fasste.
Der junge Mann trug ein weißes Tuch um den Unterarm, das von einer dunklen Flüssigkeit durchweicht war, die Hand und die Finger darunter waren dick angeschwollen.
Als Gopi ein paar Minuten später im Untersuchungszimmer den Verband abnahm, schlug ihm ein so heftiger Gestank entgegen, dass er zur Tür stolperte und sich kurz hinausbeugte. Als er zurückkam, versuchte er, durch den Mund zu atmen. Aus seinen Büchern wusste er bereits, was zu tun war und dass es keine Zeit zu verlieren gab. Während Sandra unruhig hinten am anderen Ende des Zimmers stand, betäubte Gopi Vicentes Arm und begann, das Fleisch wegzuschneiden, das sich bereits schwarz gefärbt hatte. Er schnitt, warf die schwammige Masse in den Mülleimer und schloss den Deckel, aber der Gestank wollte einfach nicht vergehen, und Gopi schnitt noch mehr weg. Blut sickerte in die Aushöhlung in Vicentes Arm, bis es sie ausfüllte und auf den Boden tropfte. Gopi schöpfte es mit einem Plastikbecher heraus und schnitt schnell weiter, bevor sich das Loch erneut füllen konnte. Sandra schlug die Hand vor den Mund und schrie. »Sagen Sie ihr, sie soll mit dem Gejammere aufhören«, befahl Gopi Vicente, aber der hatte die Augen halb geschlossen, der Kopf kippte ihm nach hinten weg und er sagte nichts. Gopi schnitt noch mehr weg, und als er auf ein Stück weißen Knochen stieß, bekam er es mit der Angst zu tun.
Nachdem er Vicente mit Sandras Hilfe auf die Rückbank seines Autos gelegt hatte, sah Gopi zu, wie Sandra davonfuhr (zur Manvel-General-Notfallambulanz, wie wir jetzt wissen). Dann stand er mutlos und ängstlich auf dem Gehweg, und als er den Kopf sinken ließ, sah er die rote Spur voller verschmierter
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