Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
Rombachinnapattinam sind von unseren günstigen Erbanlagen offenbar zu Höherem bestimmt und kommen somit oft früh zu angesehenen Beamtenposten, und ich rate dir dringend, diesen Vorteil nicht ungenutzt zu lassen. (Würde eine gute Bezahlung das Schreiben nicht ungemein erleichtern?) In meinem Fall stellte sich der Erfolg durch einige strategisch geschickte Schachzüge meiner Mutter ein. Durch die sorgfältige Pflege von Verbindungen in den weiteren Kreis der Familie hatte sie mir die Heirat mit der Nichte des zuvor erwähnten Leiters der Abteilung für Ausgehende Züge gesichert. Obwohl die Verlobungsfeier erst in einigen Monaten stattfinden würde, genoss ich bereits die Früchte dieser Verbindung.
Mein Führungsposten wurde mir in unermesslichem Maße angenehmer gemacht durch die Anwesenheit meines Putzgehilfen und Faktotums Dhananjayan Rajesupriyan. Dhanu war emsig, gewissenhaft und pflichtbewusst, und ich überantwortete ihm einen Großteil jener stumpfsinnigen Arbeiten, die die Bahnhofsverwaltung so mit sich brachte – Fahrkarten verkaufen, Schienen reinigen und instand halten, die Flaggen heben und senken –, und er führte das alles tadellos aus, neben seinen weniger anspruchsvollen Pflichten. Doch seine Jugend machte ihn mitunter impulsiv und reizbar.
Später an jenem Tag entschuldigte er sich beispielsweise in überaus ernstem Ton für das Verschütten des Tees. Doch als ich ihm versicherte, das sei kein Problem, fügte er stirnrunzelnd hinzu: »Aber ich mag diesen Burschen nicht.«
»Ich mag ihn nicht!«, sagte ich erstaunt, wenn auch nicht im Geringsten belustigt über seine Unverschämtheit. »Dreister Bengel! Warum nicht?«
»Ich finde ihn eigenartig.«
»Nun, Dhananjayan Rajesupriyan, er ist nicht eigenartiger als du, mein Lieber«, entgegnete ich lachend. Doch in Wirklichkeit war ich ein wenig gerührt. Dhananjayan wollte mich beschützen und fühlte sich um meinetwillen zu Skepsis verpflichtet.
»Dhanu«, sagte ich aus dem Impuls heraus, meiner Wertschätzung Ausdruck zu verleihen, »nimm mich doch heute nach Feierabend mit in den Eisenwarenladen deines Vaters.«
»Aber mein Vater ist heute nicht da«, wandte Dhananjayan ein.
»Brauchst du denn zu allem deinen Vater, du dummer Junge?«, fragte ich. »Kannst du mir denn keinen simplen Gefallen ohne ihn tun?«
Und so standen mein Adjuvant und ich an jenem Nachmittag schließlich allein vor dem leeren Eisenwarenladen, und nachdem ich die unverhohlen starrenden Nachbarn, von denen einige sogar die Frechheit besaßen, mir im Vorübergehen Unverschämtheiten zuzurufen, mit zornigen Blicken zum Schweigen gebracht hatte, nachdem wir hineingegangen waren und die Tür hinter uns geschlossen hatten, machte sich Dhananjayan gar nicht erst die Mühe, mich darauf hinzuweisen, dass mein Dach mit Ziegeln und nicht mit Blech gedeckt war. Und nachdem ich die harten, süßen Küsse und die gierigen Zärtlichkeiten bekommen hatte, die ich mir bei dem Jungen regelmäßig holte, nahm ich zwei Anna aus meiner Stoffbörse, drückte sie ihm in die Hand und sagte ihm dabei immer wieder, was er doch für ein ungezogener junger Mann sei, aus dem rein gar nichts werde, wenn er sich nicht am Riemen reiße – nun, da unser Schäferstündchen vorbei und meine Zärtlichkeiten erwidert worden waren, gewann der Vorgesetzte in mir wieder die Oberhand.
(Dürfte ich mich kurz unterbrechen? Der letzte Absatz ist unsäglich, widerlich, unglaubwürdig und sieht mir absolut nicht ähnlich. Was hast du bloß für eine geschmacklose Fantasie! Ich bin für dich nur ein Mann auf einer Fotografie – und ich weiß es durchaus zu schätzen, dass du mich wie eine Art Marionette zum Leben erweckst und meine Worte zu Papier bringst, bis hin zu diesen neunmalklugen Einwürfen –, doch bitte bedenke, dass ich ein Mensch aus Fleisch und Blut war und zu Lebzeiten einen tadellosen Ruf genoss. Was werden die Leute von mir denken? Wie auch immer, ich will das hier so schnell wie möglich hinter mich bringen, also lass es gut sein.)
Dhananjayan – dieser fleißige, pflichtgetreue Bursche – lächelte grimmig und ignorierte meinen Tadel, genau wie du. Er ließ sich mein liebevolles Nasekneifen gefallen und griff mechanisch nach den Münzen. Ich weiß nicht, was im Kopf des jungen Dhanu vorging, doch ich gab ihm diese Annas nur als Zeichen meiner Zuneigung, nicht als Lohn für sein Schweigen!
In jedem Fall verloren Dhanu und ich am nächsten Tag kein Wort über unsere Vergnügungen am Abend
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