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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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zuvor – Vergnügungen, die mir in jenem Moment stets simpel und notwendig erschienen, mir aber hinterher trotzdem ein gewisses Unbehagen bereiteten, so als würde ich im Verborgenen etwas Ungeheuerliches tun. An jenem Morgen erwartete mich eine besondere Ablenkung: Als ich im Büro ankam, war R. bereits da; er saß gut gelaunt auf dem Boden und kritzelte in ein steifes Notizbuch voller Teeflecken. Er trug ein abgewetztes Hemd, aus dem jede erkennbare Farbe längst ausgewaschen war. Die Ärmel hatte er über die Ellbogen gestreift, und als er aufstand, um mich zu begrüßen, rutschten sie ihm ein paar Zentimeter über den Mittelfinger. Seine Füße steckten in dünnen, eingerissenen Chappals, und er trug denselben teebefleckten Vaishti wie am Tag zuvor.
    Sein Anblick erfüllte mich mit Mitleid – er musste wirklich sehr arm sein –, und noch bevor ich ihm einen Platz zuwies, erklärte ich ihm den Weg zu meinem bevorzugten Schneider und drückte ihm ein paar Annas aus meinem eigenen Geldbeutel in die Hand, mit der Erklärung, das sei ein Zuschuss der Eisenbahn für die Garderobe ihrer Angestellten. Dann zeigte ich ihm seinen Schreibtisch, führte ihn in das Aktensystem ein und erläuterte ihm die Fahrpläne und die Quittungen. Ich habe ein ganz spezielles Ordnungssystem, das ich ihm in nicht geringer Detailfülle erklärte, und er nahm das alles mit großem Gleichmut auf. Ich zeigte ihm, wo die Postsäcke standen, in denen die Briefe der Menschen aus Rombachinnapattinam in andere Städte im ganzen Bezirk Madras transportiert wurden und umgekehrt, und wie mit ihnen zu verfahren war. Er sah sich alles genau an, und ich spürte bereits, dass er mir ein aufmerksamer und akribischer Sekretär sein würde.
    Ich stattete ihn sodann mit Tintenfass und Schreibfeder aus und begann unverzüglich mit dem ersten Diktat, einem Brief an meinen Vorgesetzten in Madras:
    »An den Leiter der Abteilung für Ausgehende Züge und das Landpersonal, Herrn P. Seshamurthi.
    Sehr geehrter Herr,
    in zahlreichen früheren Briefen habe ich dargelegt, warum ich dringend einen persönlichen Sekretär benötige. Wie ich Ihnen bereits mitteilte, habe ich für diese unumgängliche Aufstockung meines Personals bereits Geld aus dem Budget beiseitegelegt. Sie, werter Herr, beharrten darauf, dass nach Sichtung der vorliegenden Bewerbungen kein geeigneter Kandidat zu finden gewesen sei, und rieten mir daher, den Gedanken an einen persönlichen Assistenten aufzugeben. Sie erklärten mir, alle anderen Bahnhofsvorsteher in den Dörfern kämen ohne einen persönlichen Sekretär aus. Wobei Ihnen freilich der Fehler unterlaufen ist, Rombachinnapattinam ein ›Dorf‹ zu nennen, wo es doch richtigerweise als ›Stadt‹ bezeichnet werden muss, doch dies nur am Rande. Weiterhin baten Sie mich dringend, die entsprechenden Mittel wieder dem allgemeinen Budget zuzuführen, dem sie entnommen wurden.
    Ich darf Ihnen nun die freudige Mitteilung machen, dass unsere Probleme gelöst sind. Erst gestern kam der junge Mann, der diesen Brief hier niederschreibt, in mein Büro und präsentierte mir sein Curriculum Vitae. Seine Referenzen sind tadellos. Er hatte bereits zahlreiche hochrangige Sekretärspositionen inne.« An dieser Stelle machte ich eine kleine Pause und wollte R. zuzwinkern, doch der, ganz in seine Arbeit vertieft, blickte nicht einmal auf. Jetzt, beim Schreiben dieses Briefes, hatte er die hektische Energie vom Vortag abgelegt und schien ganz in sich zu ruhen. »Darüber hinaus hat er eine hervorragende Ausdrucksweise, ein kultiviertes Wesen und ein tadelloses Äußeres.« So fuhr ich eine Weile fort, voll des Lobes für meinen neuen Angestellten.
    »Abschließend möchte ich meiner Freude darüber Ausdruck verleihen, Sie in einigen Wochen anlässlich meiner Verlobung mit Ihrer Nichte zu treffen. Bis dahin verbleibe ich als Ihr untergebener Bediensteter«, usw., usf. Nachdem ich das Diktat beendet hatte, bat ich R., mir den Brief zu zeigen.
    R. stand auf und legte mir das Blatt auf die ausgestreckte Hand. Die Vorderseite war sehr schön: Er hatte exakt das geschrieben, was ich gesagt hatte, in einer eleganten, fließenden Handschrift.
    Am Anfang der zweiten Seite wurde die Schrift jedoch zackig und ungleichmäßig. Dann brach sie mitten im Satz ab, und der Rest der Seite war voll von – wie soll ich sagen? – bizarren und fremdartigen Schriftzeichen, die meinen Augen in gewisser Weise Gewalt antaten. Sie erstreckten sich über den größten Teil der Seite.

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