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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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einfach wieder ins Bett«, sage ich, stelle den Fernseher stumm und drehe mich auf den Bauch. »Es gibt keinen Grund zu beten.«
    Sie dreht sich um und sieht mich sehnsüchtig und sorgenvoll an – liebend gern würde sie wieder unter meine Decke schlüpfen. »Doch«, sagt Nirmala leise. »Oh doch.« Dann huscht sie hinaus in den Flur.

2
    Am Abend findet die Premiere von Jogesh Sens Film statt. Jogeshs amerikanischer Presseagent hat festgelegt, dass alle anwesenden Schauspieler und Crewmitglieder vor der Vorführung zu einer Fotosession vor dem Lincoln Center zusammenkommen. Wir stehen im stürmischen Wind und grinsen, dreißig gottverdammte Minuten lang. Immer wieder zupft Jogesh seinen englischen Houndstooth-Schal zurecht und streicht sich das geölte silbergraue Haar glatt.
    »Verdammter Wind, was, Chotu? Stört dich das nicht?«
    »Ich hab zum Glück keine Haare mehr, die der Wind zerzausen könnte.«
    »Ihr armen Glatzköpfe friert ja bestimmt in diesem Land. Guck mal, du kriegst schon Gänsehaut auf dem Kopf.«
    Und so frotzeln und scherzen wir, während es mich innerlich fast zerreißt. Warum erzähle ich Jogesh nicht einfach alles, wie Jimmy Stewart es John Wayne in Der Mann, der Liberty Valance erschoss erzählt hat, frei heraus wie ein Amerikaner, und schaffe klare Verhältnisse? Lieber Jogesh, ich bin in deine Frau verliebt. Außerdem hoffe ich, dass ich bald bei dir aufhören und in den USA bleiben kann, um meine eigenen Filme zu drehen. Nirmala bliebe natürlich hier bei mir. Köstlich, diese Mangos, nicht wahr, alter Freund? Doch eine gewisse Vorsicht, wie Nirmala sie an den Tag legt, hält mich zurück.
    »He, Chotu«, fährt Jogesh fort, als die Fotografin das Objektiv wechselt. Er drückt mir seine langen Finger in die Schulter. »Danke, dass du Nirmala die letzten beiden Tage Gesellschaft geleistet hast. Es würde ihr sehr schwerfallen, die Stadt auf eigene Faust zu erkunden. Eine Schande, dass ich keine Zeit habe, um mit ihr ein paar Ausflüge zu machen.«
    Jogesh nennt mich schon immer Chotu, dabei bin ich sechs Jahre älter als er – es liegt wohl daran, dass ich mit meinen Einsachtundsechzig ziemlich klein bin.
    »Nichts zu danken, Jogesh«, versichere ich ihm.
    Jetzt beugt er sich an mein Ohr heran. »He, Chotu. Ich habe den Hotelpagen heute Morgen gebeten, dir mein neues Drehbuch aufs Zimmer zu bringen. Kannst du es bitte lesen, wenn du etwas Zeit hast, und schon mal ein paar Storyboards zeichnen? Vielleicht haben einige Leute hier Interesse daran.«
    Ein neues Drehbuch, so schnell? Ich bin verblüfft, dabei sollte es mich eigentlich längst nicht mehr wundern. Ich habe zwei lange Jahre an dem einzigen Drehbuch meines Lebens gefeilt. Es wird wohl auch mein letztes sein, zumal ich alles an Material hineingesteckt habe, was ich zur Verfügung hatte – ein Triumph, aber ein verdammt schwieriger. Und unterdessen liefert mir Jogesh kurz nach seinem neuesten Erfolg das siebte Drehbuch der letzten vier Jahre ab – das fünf- oder sechsundzwanzigste seiner Karriere –, das er mal eben unterwegs fertiggestellt hat, wie es aussieht.
    Um mich zu beruhigen, zünde ich mir eine Zigarette an, und der empfindliche Jogesh weicht einen Schritt zurück. »Muss das sein, Chotu?«, fragt er.
    Auch der Pressemanager schimpft mit mir. »Würden Sie die bitte ausmachen, Sir?«
    »Nur zwei Züge«, verspreche ich und wiege freundlich den Kopf. »Bitte, bitte, fotografieren Sie doch weiter.«
    Aber die Fotografin hat bereits den Kopf von der Kamera weggezogen. Alle warten auf mich, und Jogesh schnalzt ungeduldig mit der Zunge.
    »Schon gut, schon gut«, rufe ich, trete die Zigarette auf dem roten Teppich zu meinen Füßen aus, und grinse auf Befehl der Fotografin.
    Es gab einmal eine Zeit, in der ich sehr angetan von ihm war, genau wie alle anderen auch. Wie war das Leben schließlich auch gewesen ohne ihn? Unter den Deckenventilatoren in der Werbebehörde über meine Staffelei gebeugt, saß ich, mit dreißig schon nicht mehr der Jüngste, als einer von Dutzenden in endlosen Reihen und zeichnete Sodawasserflaschen und Keksdosen. Jedes einzelne Konzept musste ich Hunderte Male neu zeichnen, weil dieser idiotische Kunde oder jene schwachsinnige Vorgesetzte immer wieder etwas daran auszusetzen hatte. Warum sollten sie meine Meinung auch respektieren? Meine Eltern waren direkt aus dem Dorf nach Kalkutta gekommen; ich trank das Hausbier in der Dhaba um die Ecke statt Gin Tonic im Tollygunge. Um nicht unterzugehen,

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