Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)
Westbengalen der Welt auch in Zukunft etwas Besonderes und Unverzichtbares zu bieten haben«, schrieb die Times of India . Unsere Kalkuttaner Zuschauer strömten monatelang in die Kinos, um auf der Leinwand zu filmischem Leben erweckt ein Dorf wie jenes zu sehen, in dem ihre eigenen Eltern aufgewachsen waren; eine Familie, die darum kämpft, von ihrem Stück Land zu leben, bis sie schließlich die Zelte abbricht und in die Stadt zieht, Elend und Erfolg erlebt, die Liebe verliert und sich wieder verliebt und Kinder großzieht, die zu Menschen exakt wie jene werden, die im Kinosaal saßen und zur Leinwand hinaufsahen.
Der unbekannte Hauptdarsteller legte eine Glanzleistung hin und machte anschließend eine traumhafte Karriere, und schon hatte Jogesh seinen Ruf als Starproduzent weg. Ich konnte meine Stelle kündigen (denn ich hatte mich für die Arbeit an Calcutta Nights trotz Jogeshs inständiger Bitten bis dahin nur beurlauben lassen). Im Handumdrehen sicherte Jogesh die Finanzierung für sein nächstes Projekt, und für das nächste und übernächste, und er zahlte mir ein so gutes Gehalt, dass ich mir keine Stelle in der Werbung suchen musste (übrigens auch nicht bei einem anderen Regisseur) und mit meiner Familie endlich in ein richtiges Haus ziehen konnte.
Ich wusste Jogeshs Großzügigkeit jedoch durchaus richtig zu deuten. Sicher war ich dankbar für das Geld, aber er hatte schließlich keine andere Wahl; er bezahlte mich so gut, weil er nicht auf mich verzichten konnte. Ohne mich konnten seine Filme nicht ihre Schönheit erlangen.
Und er bezahlte mich wiederum nicht so gut, dass ich meine Frau in einer separaten Wohnung hätte unterbringen können, wie sie es sich vielleicht gewünscht hätte. Natürlich sah sie sich Calcutta Nights an und mochte den Film, aber sie konnte sich gewisse Sticheleien nicht verkneifen: »Warum wird in deinen Filmen immer so viel geweint? Und warum gibt es nur eine Tanznummer?«
»Glaub mir, dasselbe habe ich Jogesh auch gefragt«, sagte ich zu ihr. »Das ist eben der moderne Stil.«
»Moderner Stil ist ja gut und schön, aber ärgere uns doch nicht mit nur einer Tanznummer. Eine Tanznummer, das ist nicht Kommen und nicht Gehen, nicht Schlafen und nicht Wachen, nicht Puna und nicht Hyderabad. Wenn du eine hast, musst du auch mehrere machen.« Dann lachte sie mich aus.
Und dies war meine jährliche Atempause: »Ich bin für zwölf Wochen auf einem Dreh. Bitte versorge den Haushalt gut und gib nicht zu viel Geld aus. Lad dir die Jungs ein, wenn du dich einsam fühlst.«
»Mach dir keine Sorgen um mich«, erwiderte sie jedes Mal. »Ich komme gut allein zurecht.«
Jogeshs Verhalten an den Filmsets hatte sich unterdessen gewandelt. Er war nicht mehr der liebenswürdige Jogesh, nicht mehr wie in alten Zeiten immer für einen Johnny Walker am Pool zu haben. Er war geheimniskrämerisch, als wäre er ein berühmter Schauspieler; seine wichtigtuerische und prinzenhafte Ader hatte jetzt voll durchgeschlagen.
»Was ist denn los, Jogesh?«, fragte ich, als ich sah, wie er in der Lobby den Hotelpagen ausschalt. Er deutete auf seinen tadellosen Kleidersack.
»Total zerknittert und ruiniert«, sagte er in seinem stillen Groll. »Und ich bin in fünfzehn Minuten zum Diner verabredet.«
So benahm er sich zunehmend auch gegenüber seinem Team, selbst mir gegenüber. Ich erinnere mich noch an den Tag, von dem an ich nicht mehr einfach so in sein Büro gehen konnte, sondern um einen Termin bitten musste. Statt gleichberechtigter Partner in einem großen Unterfangen gab es jetzt nur noch Diener, die nach der Pfeife des großen Maestros tanzten, der seine eigene Vision und seinen eigenen sozialen Kreis hatte.
Was trieb er? Wenn wir um drei Uhr morgens im Hotel bei ihm anklopften, um zu sehen, ob er mit uns Karten spielte? Und da niemand war?
Ich will damit nichts andeuten, und auch damals hielt ich den Mund. Denn wir Jungs hatten eine Abmachung: Was beim Dreh passiert, bleibt beim Dreh.
Gut, ich will nicht lügen: Ich wusste von seinen Affären. Das ist zwar gegen die Abmachung, aber: Wir alle wussten Bescheid, vom ersten Tag an, als jene erste berühmte Schauspielerin zu ihrem Kurzauftritt kam (in zwei Szenen spielte sie – wenig glaubhaft – eine einfache, unverheiratete Lehrerin, die sich von unserem Helden anschmachten ließ), am Abend mit Jogesh allein in ein Restaurant ging und zwei Wochen später keinerlei Bedenken hatte, in ihren engen Bluejeans und mit Diamanten behangen neben
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