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Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition)

Titel: Ich bin Henker: Liebesgeschichten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rajesh Parameswaran
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ihm zu stehen, mit ihm Händchen zu halten und ihm durchs Haar zu fahren, obwohl sie gar nichts mehr am Set verloren hatte. Jogesh und ich sprachen unbefangen darüber – unter Männern sozusagen –, wie elegant sie war, wie gut sie Französisch sprach und so weiter. Die Crew und ich bewunderten ihn eigentlich, unseren kleinen Jogesh, der mit der berühmten Schauspielerin herumturtelte, auch wenn wir uns manchmal fragten, ob wir nicht stattdessen zu ihm sagen sollten: Schäm dich! Wie widerlich! Abgesehen davon hatten wir die Vermutung, dass sie ihn nur benutzte, um den Sprung zu größeren Filmen zu schaffen. Doch ich machte Jogesh nie einen Vorwurf, und es wäre mir auch nie in den Sinn gekommen, Nirmala oder irgendjemand anderem außerhalb unseres kleinen Kreises davon zu erzählen.
    Aber muss ich mich Nirmala gegenüber deswegen nicht schuldig fühlen? Kein bisschen. Was Jogesh sich aufs Gewissen lädt, ist Jogeshs Sache und ganz allein Jogeshs Sache. Wie dem auch sei, es hat sich alles zum Besten gewendet.

5
    Spät am Abend, nachdem Nirmala und ich unbemerkt wieder zum Cocktailempfang zurückgekehrt sind, gehen wir alle noch in ein Kellerrestaurant in Manhattan, um dort ein wenig zu feiern. Jogesh schickt mit einer wegwerfenden Handbewegung den Kellner fort, der ihm Wein nachschenken will; eine Geste, deren Nachahmung ich nie für angebracht hielt.
    Obwohl Jogesh der einzige Mensch in Kalkutta mit einem eigenen Weinkeller ist, trinkt er immer nur ein einziges Glas. In gewisser Weise ist Erfolg bei ihm vollkommen vergeudet.
    Es ist nicht leicht für mich, ihn an Nirmalas Seite zu sehen. Die Schauspielerin aus Mumbai ist nicht mit von der Partie, deshalb widmet sich der heuchlerische Jogesh ganz seiner Frau. Obwohl Nirmalas Geringschätzung für ihn nicht zu übersehen ist, gibt sie sich beträchtliche Mühe, so zu tun, als würden seine Geschichten sie amüsieren – da, wie sie sich fast ausschüttet vor Lachen über die langatmige Schilderung einer Begegnung mit Fellini. (»Egal, was Federico tat – er tat es mit Stil und mit Leidenschaft«, schwafelt er.) Jetzt legt Nirmala ihm die Hand in den Nacken und demonstriert dabei eine so bewundernswert vorgetäuschte Zuneigung, dass ich mein Hemd durchschwitze, so unerträglich sind der ungewohnte Schmerz und die Eifersucht. Und Jogesh: wie er immer aufsteht, wenn sie zur Toilette geht, wie er ihr die erste Gabel von seinem Essen anbietet, wie er ihr etwas ins Ohr flüstert – bemühte und zwecklose Vertrautheitsbezeugungen, erbärmlich, einfach nur erbärmlich, ich würde am liebsten aufstehen und ihm eine runterhauen.
    Immer wieder entschuldige ich mich und gehe eine Zigarette rauchen.
    Um genau 23.15 Uhr steht Jogesh vom Tisch auf und fasst Nirmala sanft am Arm. Er braucht seine sieben Stunden Schlaf.
    Als er und Nirmala gegangen sind, winke ich den Kellner heran, damit er mir Wein nachschenkt. »Ganz voll, hab ich gesagt!«, schnauze ich ihn an, verärgert über den leeren Raum oben in meinem Glas. Und am frühen Morgen torkele ich durstig, verraucht und mit voller Blase in mein Hotelzimmer, wo mein Blick als Erstes auf einen braunen Briefumschlag fällt – Jogeshs neues Drehbuch, das er am Nachmittag von einem Pagen hatte bringen lassen. Dick und proper thront es da auf meinem Toilettentisch, wie ein lächelnder Buddha, und vorn steht in ruhigen Bleistiftziffern meine Zimmernummer darauf.
    Ich sinke in düstere Träume von haarsträubenden Katastrophen. Regen und Tränen, ein Trommeln am Fenster. Vor mir erhebt sich eine Treppe, aber immer wenn ich sie betreten will, kippt sie und verbiegt sich. Vor dem Fenster stürzen dröhnend Flugzeuge in die Tiefe, und vor mir auf den Stufen erscheint Nirmala in einem Trenchcoat und einer dunklen Perücke – oder will mich jemand zum Narren halten? Ich gehe auf sie zu, aber sie rennt mir davon, die Wände beben, die Stufen brechen mir unter den Füßen weg … Strudelnde Streicher von Bernhard Herrmann, und alles dreht sich wie in der Turmszene von Vertigo …
    Erst sehr spät am nächsten Nachmittag, nach ausreichend Kaffee aus der großen Zimmerservice-Kanne, vier weichen Pfannkuchen, aus denen blaue Beeren herausquollen, und gutem, salzigem amerikanischen Bacon als Beilage schüttele ich die Unruhe der letzten Nacht ganz von mir ab und kann mich dazu durchringen, die Aluminiumklammern aufzubiegen und den Inhalt des braunen Umschlags herausgleiten zu lassen. Immer schneller blättere ich durch die sauber bedruckten

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