Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
wissen, was zu tun ist.«
Will lupfte sich aus dem Stuhl. Eine kleine Befriedigung brauchte er noch. »Warum ausgerechnet ich?«
Die Amtsleiterin blickte ihn an. Ohne Häme, ohne Zorn, sondern ganz offen. »Weil Sie ein verdammt guter Bulle waren, Herr Prenker.«
Mehr wollte Will nicht hören.
18
Für einen erfolgreichen Ermittler galt nur, er machte sich unbeliebt oder er machte sich unbeliebt. Also entschied Will sich.
Er gab sich als Journalist aus und versuchte, Antworten zu bekommen. Und er machte sich sehr unbeliebt, oh ja. Herr Doktor oder Frau Doktor schütz ten ihre Kinder mit Händen so groß wie Regenschirme.
Aber es gab noch die anderen Leute. Die wenigen, die nicht zur Klasse der Masters of the Univers gehörten. Die waren nicht weniger resolut, aber sie waren lauter, schriller, so wie man es aus RTL-II-Reality-Soaps kannte. Verklag mich doch! Ich nehme dir deine Wohnung! Ich nehme dir deine Kinder! Schluss mit Hotel Mama! Verdammt, ich nehme dir deine gottverschissene Seele und saug dir die Därme raus! Und wenn nichts mehr geht, lass ich mich von Angelika Kallwass heilen und von Johan Lafer bekochen.
Es war ein undankbarer Job. Offenbar hatten die Mütter nach wie vor zu viel Zeit tagsüber, und dass sie eventuell in früher er Zeit Thomas Mann gelesen oder Schöngeistigkeit studiert hatten, spielte heute keine Rolle mehr. Sie waren nur eine Fingernagelbreite von der Unterschicht entfernt.
Sie waren so, wie sie dachten, dass man als gute Mutter sein musste.
Krall end, besitzergreifend und besserwisserisch wie böse Hexen. Und die Kleinen waren großkotzige Scheißer, die gegenüber der Mutter den Kopf gesenkt hielten, aber sobald sie sich einigermaßen frei fühlten, rotzig und großmäulig geiferten wie böse Gnome. War das Selbstbewusstsein?
Oder war es ein ganz alltäglicher Horror, der die Kleinen ergriffen hatte, weil wiederum die Mütter sie ergriffen hatten und behandelten wie Manager, die von einem Termin zum nächsten gefahren wurden, ohne jemals wirklich Kind sein zu dürfen. Und je größer das Haus, desto krasser wurde es.
Beim Reiten.
Beim Sprachunterricht.
Beim Turnen.
Oha, beim Was-weiß-ich-Blumen-stecken-zum-Verrecken und Yoga-maloba-Scheiß!
Und diese Kinder sollten die Welt beherrschen? Kinder, die nie spielten, im Wald tobten, sich die Beine aufschlugen, im Sand rauften?
Es dauerte zwei Tage und Will Prenker war glücklich, nie Vater geworden zu sein.
Erreicht hatte er nichts.
19
Stefan öffnete mit zitternden Händen eine Zeitung nach der anderen. Er hatte alle gekauft, die er bekommen konnte. Überall suchte er nach Hinweisen, die auf seinen Sohn deuteten.
Er war daheim geblieben, konnte nicht zur Arbeit gehen.
Daniela hantierte im Garten, schnitt Rosen oder so ... Irgendwie war das auch unwichtig, Hauptsache, sie beide betätigten sich und kamen nicht zum Nachdenken.
Andauernd lauschte Stefan auf ein aggressives Klingeln an der Haustür oder auf Autos, die mit blinkenden Lichtern vor ihr Haus fuhren, wie man es aus TV-Krimis kannte. Schwarze Ledermänner, die aus den Autos sprangen, in ihre Sprechfunkgeräte schnatterten und an die Tür pochten, während sie Hallo Polizei, sofort öffnen! brüllten.
Doch nichts dergleichen geschah.
Stefan hatte sich ein Leben lang stets bemüht, kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. Er gab seine Steuerklärung pünktlich ab, er verspätete sich nicht zur Arbeit, seine Termine nahm er gewissenhaft wahr, sogar zum Friedhof ging er einmal im Monat, um dem Leichnam seines miesen Vaters eine Blume aufs Grab zu legen, die er viel lieber Daniela geschenkt hätte. Aber so machte man das eben. Sein Leben lang hatte er sich bemüht, Ordnung zu halten, einer geraden Linie zu folgen. Nie war er arbeitslos gewesen und falls doch, hätte er Toiletten geschrubbt, um seine Familie zu ernähren. Nie hatte sein Sohn ihn betrunken erlebt, keinesfalls ließ er sich gehen, übertrieb Dinge, sondern war sich stets bewusst, dass die Herrschaft über den Augenblick die Herrschaft über das Leben war.
Und Oliver hatte ihm diese Herrschaft aus der Hand genommen.
Ihm, der Erdbeeren pflücken konnte, ohne sich eine in den Mund zu stecken.
Er beobachtete über die Zeitung hinweg, wie Daniela, zierlich, jung und geschmeidig, Unkraut zupfte. Nicht selten fragte er sich, was sie an ihm fand, doch stets, wenn er sie darauf ansprach, verschloss sie seinen Mund mit Küssen oder überschüttete ihn mit Zärtlichkeit. Für sie war er der,
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