Ich bin kein Mörder: Thriller (Band 3 von 3 der "Mörder"-Trilogie)
den sie sich gewünscht hatte, obwohl er sich selbst nicht selten auf die Nerven ging. Warum eigentlich ihr nicht?
Seine Art zu leben hatte ihn zu einem ängstlichen Mann gemacht, so wie Oliver es klar und emotionslos festgestellt hatte. Er war ein ängstlicher Mann! Also war es an der Zeit, sich Mut zu machen. Sollte die Polizei doch kommen. Er würde seinen Sohn beschützen und auch seine Frau, die dann hoffentlich wusste, wann sie zu schweigen hatte. Er war ein guter Rhetoriker und nicht auf den Kopf gefallen. Es gehörte was dazu, ihn aufs Glatteis zu führen. Warum also diese Furcht?
Und er begriff, dass es nicht die Furcht vor Strafe war, sondern davor, seine Familie zu verlieren.
Daniela an einen Traum, den ihr die Familie nicht mehr erfüllte.
Oliver an die Dunkelheit.
Und sich selbst an die Leere, die daraufhin folgen würde.
Doch auch das war noch nicht die ganze Antwort. Er hinterfragte sich noch ein paar Minuten, dann erkannte er mit bitterer Gewissheit seinen Selbstbetrug.
Schon die Tatsache, dass er Oliver zu schützen versuchte, führte dazu, sein gesamtes Lebensbild zu hinterfragen. Wer auch immer ihn auf die Probe stellte, hatte ihm ein schweres Los zugedacht, hatte ihn in einen Konflikt gestürzt, der ihn fast zerriss. Denn die Konsequenz seines Naturells bedeutete, Oliver an die Polizei auszuliefern oder in psychologische Behandlung. Ein Mörder war ein Mörder, auch wenn er jung und unwissend war, auch wenn er krank war oder denselben Namen trug wie sein Vater.
Doch dies war nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite schimmerte genauso düster und sagte mit erbarmungsloser Entschlossenheit:
Disziplin ist Konsequenz! Deine Konsequenz ist die Verpflichtung als Vater! Und die wiederum besagt: Stehe zu deinem Kind, komme was da wolle!
Ein gedanklicher Kreislauf ohne Ende.
Drei, nein vier Zeitungen hatte er durchsucht, doch die Nachrichten waren spärlich. Hauptsächlich schossen sich die Blätter auf einen Serienmörder ein, der vor einiger Zeit entkommen war und dessen Tochter der Täter ermordet hatte. War es eine Tat aus Rache? Und was geschah nun mit der Mutter des Mädchens? Befand auch sie sich in Gefahr? Überhaupt ... wo war der Vater des Kindes? Wo war der Serienmörder? Ersten Gerüchten zufolge hatte der Mann sich umgebracht, da er mit seiner Schuld nicht hatte leben können. Andere wiederum sagten, er halte sich unter falschem Namen im Ausland auf und wisse noch nichts von dem Drama.
Stefan begriff, dass die Polizei im Dunkeln tappte, aber vermutlich die Mitschülerthese verworfen hatte - falls es sie jemals gegeben hatte.
Um Haaresbreite hätte Stefan gelacht. Das war ein schlechter Witz. Also hatte Oliver einen Mord begangen, der ihn gleichermaßen entlastete? Hatte er das Glück der Düsternis, den Hohn des Teufels, der immer stärker gewesen war als Gott?
Stefan schüttelte es und er bekam Kopfschmerzen. Er warf die Zeitung auf den Wohnzimmertisch und ging zum Terrassenfenster. Nein, er brauchte sich nicht vor der Polizei zu fürchten. Offenbar hatte Oliver Glück gehabt, hatten sie alle Glück gehabt, und diese Erkenntnis schmeckte bittersüß. Er schob die Tür auf, atmete die spätsommerliche Luft und erstarrte.
Es klingelte und sein Herz setzte für einen Moment aus. Er lauschte dem Geräusch nach. Wiederholte es sich? Standen Autos mit laufenden Motoren vor der Tür?
Nein.
Nur ein ganz einfaches, fast zögerliches Klingeln.
Er öffnete die Tür .
20
Will stellte sich vor. »Ich komme von der BZ.«
» Na und?«
» Ich habe ein paar Fragen an Sie, Herr Strauss.«
» Um was geht es?«
» Darf ich reinkommen?«
» Sagen Sie mir erst, was Sie wollen.«
» Es geht um die Morde im Schiller-Gymnasium.«
» Schlimm, Herr ...«
» Prenker. Will Prenker. Ja, sehr schlimm. Ich mache grad eine Umfrage bei den Eltern, wie sie damit umgehen, dass in ihrer Schule gemordet wird. Nicht dass wir uns falsch verstehen ... wir werden keinen Sensationsbericht schreiben, aber mein Chefredakteur meinte, es könne nichts schaden, nachzufragen, wie die Eltern der Kinder sich damit fühlen.«
» Wir fühlen uns schlecht.«
» Darf ich?«
» Ja, treten Sie ein. Aber nur für ein paar Minuten.«
» Na klar, Herr Strauss. Ich will Ihnen schließlich Ihre Zeit nicht stehlen. Ein schönes Haus haben Sie und ein gemütliches Wohnzimmer.«
» Setzen wir uns.«
» Danke.«
» Also?«
» Wie geht es Ihnen bei dem Gedanken an die Morde? Immerhin hätte es auch Ihr
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