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Ich bin kein Serienkiller

Ich bin kein Serienkiller

Titel: Ich bin kein Serienkiller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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konnte ihn nicht mehr sehen, doch er schrie – ein wortloser, schmerzvoller und fassungsloser Schrei. Crowley brüllte und hatte auf einmal unzählige schimmernde, nadelspitze Zähne im Mund. Zwei kräftige Bisse später wurde es still.
    Mr Crowley beugte sich über den Toten, der Atem stand ihm wie Dampf vor dem Gesicht, und die Arme waren viel zu lang. Auf den nicht menschlichen Krallen schimmerte Blut. Der Kopf war jetzt knollig und dunkel, die Ohren zugespitzt wie Messerklingen. Sein Mund stand unnatürlich weit offen und war voller Zähne. Er keuchte schwer und verwandelte sich vor meinen Augen wieder in die Gestalt, die ich kannte. Arme und Hände wurden kürzer, die Klauen schrumpften zu normalen Fingernägeln, der Kopf wurde wieder kleiner und nahm die ursprüngliche Form an. Nach wenigen Augenblicken hatte er sich in den guten alten Mr Crowley zurückverwandelt, so normal, wie er nur sein konnte. Wären nicht die Blutflecken auf der Kleidung gewesen, dann hätte niemand je vermutet, was aus ihm geworden war oder was er getan hatte. Er hustete, zog den zerfetzten Handschuh von der linken Hand und ließ ihn müde auf den Boden fallen.
    Geschockt saß ich da, spürte den schneidend kalten Wind im Gesicht und meine vom Urin warmen Beine. Ich konnte mich nicht einmal daran erinnern, dass ich gepinkelt hatte.
    Mr Crowley war ein Monster.
    Mr Crowley war das Monster.
    Meine Angst war viel zu groß, um an Flucht zu denken. Ich saß nur da, mir war übel, und ich fror. Crowley verlängerte seine rechte Hand wieder zu Krallen und riss dem Fremden die Kleidung vom Leib.
    »Wolltest mich töten«, murmelte er, »obwohl ich dir einen Hut gekauft habe.« Er griff mit beiden Händen zu und schnitt eine Grimasse, dann hörte ich ein schreckliches Knacken. Einmal, zweimal, dreimal, viermal, fünfmal, sechsmal – eine Reihe brechender Rippen. Er bückte sich noch tiefer, bis ich ihn nicht mehr sehen konnte, und richtete sich gleich darauf mit zwei formlosen, blutigen Lappen wieder auf.
    Lungen.
    Langsam knöpfte Mr Crowley seinen Mantel auf … dann das Flanellhemd … das zweite Hemd … dann das dritte. Bald hatte er seine Brust in der Kälte entblößt. Er knirschte mit den Zähnen, keuchte schwer und schloss die Augen. Die Lungen des Toten nahm er in die linke Hand, dann griff er mit der Dämonenklaue nach seinem Bauch und schlitzte sich knapp unter den Rippen auf. Ich keuchte, als Crowley mit zusammengebissenen Zähnen leise stöhnte. Aber er hatte mich offenbar nicht gehört. Das Blut strömte aus seinem offenen Bauch, und er taumelte, richtete sich jedoch rasch wieder auf.
    Inzwischen war ich über jeden Schock hinaus und viel zu benommen von dem Erlebnis, um irgendetwas anderes zu tun außer zu starren.
    Mr Crowley hustete wieder qualvoll und schob sich die Lungen verzweifelt in das Loch im Bauch. Er sank auf die Knie, verzerrte vor Schmerzen das Gesicht, und dann verschwand das letzte Stück der Lunge in ihm, als würde es irgendwie in seinen Körper hineingezogen. Plötzlich riss er die Augen weit auf, viel weiter, als ich es für möglich gehalten hätte, und schnappte hilflos und lautlos nach Luft. Aus seiner Wunde quoll etwas Dunkles heraus, das er rasch ergriff. Er zog ein anderes Paar Lungen heraus – dem ersten ähnlich, aber schwarz und krank wie die Lungen in den Anzeigen mit den Krebswarnungen. Die schwarzen Lungen zischten, als sie aus der Wunde glitten, und er ließ sie auf den toten Fremden fallen. Einen Augenblick lang blieb er stehen, völlig lautlos und ohne zu atmen, keuchte dann auf einmal laut wie ein Taucher, der aus einem Teich auftaucht, und schnappte verzweifelt nach Luft. Dreimal atmete er noch so verzweifelt, tief und gierig ein. Dann wurde sein Atem ruhiger und gleichmäßiger. Die rechte Monsterhand schrumpfte wieder zu menschlicher Größe, und er legte beide Hände auf die offene Wunde. Das Loch verschloss sich sofort wie mit einem Reißverschluss. Ein paar Sekunden später war die Brust wieder ganz heil, weiß ohne jede Narbe.
    Plötzlich gaben die Äste über mir nach, und rings um mein Versteck fiel ein Haufen Schnee zu Boden. Ich biss mir auf die Zunge, um nicht erschrocken aufzuschreien, und ließ mich zurückfallen, bis ich flach in der Mulde zwischen den Baumstämmen lag. So konnte ich Crowley nicht mehr sehen, aber ich hörte, wie er auf die Füße sprang. Ich stellte mir vor, dass er halb gebückt lauerte und zum Kampf bereit war – er hätte jeden getötet, der seine Tat

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