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Ich bin Legende

Ich bin Legende

Titel: Ich bin Legende Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Matheson
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natürlich auch die Fenster mit Brettern verschlagen. Und wir benutzten Kreuze.«
    »Sie wirken nicht immer«, sagte er ruhig, nach einem langen Blick auf sie.
    Sie schaute ihn verständnislos an. »Nein?«
    »Weshalb sollte ein Jude das Kreuz fürchten?«, fragte er. »Warum sollte ein Vampir, der Jude gewesen war, es fürchten? Die meisten hatten Angst davor, Vampire zu werden. Und die meisten leiden vor einem Spiegel an hysterischer Blindheit. Doch was das Kreuz betrifft -, nun, weder ein Jude noch ein Hindu noch ein Mohammedaner - und ein Atheist schon gar nicht - würde das Kreuz fürchten.«
    Sie hielt das Weinglas in der Hand und blickte ihn mit ausdruckslosen Augen an.
    »Deshalb funktioniert das Kreuz nicht immer«, fuhr er fort.
    »Du hast mich nicht ausreden lassen«, sagte sie. »Wir benutzten auch Knoblauch.«
    »Ich dachte, sein Geruch macht dich krank?«
    »Ich war bereits krank. Ich wog ursprünglich siebenundfünfzig Kilo, jetzt habe ich höchstens noch siebenundvierzig.«
    Er nickte. Doch als er in die Küche ging, um eine zweite Flasche Wein zu holen, dachte er: Sie müsste sich inzwischen daran gewöhnt haben - nach drei Jahren.
    Ja, aber vielleicht auch nicht. Warum hing er jetzt diesen quälenden Gedanken nach? Morgen würde sie ihn eine Blutprobe nehmen lassen. Was konnte sie mehr tun? Nicht sie benimmt sich merkwürdig, sondern ich. Ich war zu lange allein. Ich glaube nur noch, was ich unter dem Mikroskop sehen kann. Da triumphiert wieder einmal die Vererbung. Ich bin eben doch meines Vaters Sohn, mögen seine Gebeine vermodern!
    Er stand in der dunklen Küche, presste die Nägel auf den Flaschenaufkleber und starrte ins Wohnzimmer auf Ruth.
    Sein Blick wanderte über den Bademantel mit der leichten Rundung des Busens hinab zu den sonnengebräunten Waden und Füßen und schließlich wieder hoch zu den glatten Knien. Sie hatte die Figur eines jungen Mädchens. Wie die Mutter von zwei Kindern sah sie wirklich nicht aus.
    Das Komischste an der ganzen Sache war, dass ich absolut kein körperliches Verlangen nach ihr verspüre, dachte er. Wäre sie vor zwei Jahren aufgetaucht oder auch noch etwas später, hätte er ihr vielleicht Gewalt angetan. Er hatte so manche unangenehmen Augenblicke durchgemacht damals. Es hatte Zeiten gegeben, da er die schrecklichsten Lösungen für sein körperliches Bedürfnis in Betracht gezogen und darüber nachgegrübelt hatte, bis es ihn fast wahnsinnig machte.
    Doch dann hatte er mit seinen Forschungen und Experimenten angefangen. Von da ab hatte er täglich weniger geraucht, und auch der Zwang zu trinken hatte sich gelegt. Entschlossen und mit erstaunlichem Erfolg hatte er sich ganz seinen Forschungen hingegeben.
    Sein Bedürfnis nach Sex war immer geringer geworden, ja fast verschwunden. Einem Mönch dürfte es ähnlich ergehen, dachte er. Der Trieb musste früher oder später nachlassen, denn sonst könnte kein normaler Mann sich einem Leben verschreiben, das Sex ausschloss.
    Und nun spürte er glücklicherweise so gut wie gar nichts, höchstens, höchstens vielleicht ein kaum merkliches Rühren tief unter den Felsschichten der Abstinenz. Dabei wollte er es auch belassen, schon allein deswegen, da es absolut nicht sicher war, dass Ruth die Gefährtin war, auf die er gewartet hatte - und nicht einmal sicher, dass er nach der Untersuchung noch zulassen konnte, dass sie am Leben blieb. Sie heilen ?
    Nein, eine Heilung war nicht sehr wahrscheinlich.
    Mit der geöffneten Flasche kehrte er ins Wohnzimmer zurück. Sie lächelte ihn kurz an, als er ihr Glas nachfüllte.
    »Wenn man diese Wand ansieht, könnte man meinen, gleich käme man in den Wald«, sagte sie.
    Er brummte etwas Unverständliches.
    »Es muss viel Arbeit gekostet haben, dein Haus so herzurichten.«
    »Das kannst du laut sagen. Bei euch dürfte es ja ähnlich gewesen sein.«
    »Wir hatten kein Haus wie deines«, entgegnete sie. »Unseres war klein, und unsere Speisekammer nicht halb so groß wie deine.«
    »Dann müssen euch ja die Lebensmittel bald ausgegangen sein«, sagte er und blickte sie aufmerksam an.
    »Die tiefgekühlten, ja«, antwortete sie. »Aber an Dosennahrung mangelte es nicht.«
    Er nickte. Es klang logisch, das musste er zugeben, aber irgendwie war er nicht zufrieden. Es war reine Intuition, anders war es nicht zu erklären.
    »Und Wasser?«, fragte er.
    Sie schaute ihn kurz schweigend an, dann sagte sie: »Du glaubst mir kein Wort. Habe ich recht?«
    »Das ist es nicht«, erwiderte er.

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