Ich blogg dich weg!
Vielleicht würde ja alles gut werden, dachte ich an diesem späten regnerischen Nachmittag.
Im Traum fiel das Wasser schwer auf den kleinen Weg, der zur Förstersiedlung führte. Die hohen Bäume rauschten über mir. Ich wusste, dass dort irgendwo der Stüpp auf mich wartete, aber ich musste weitergehen, egal, wie stark es goss und wie schwer meine Kleider davon wurden. Der Weg war nicht geteert, sondern bestand aus schwerem Lehm, in den ich bis zu den Knöcheln einsank. Wieso war ich nur so schwer und unbeweglich? Ich plagte mich bei jedem Schritt, den ich vorwärtslief. Aber der Weg führte nicht zu unseren Häusern. Im Traum waren diese Häuser noch gar nicht gebaut und da oben zwischen den Buchen gab es nichts außer dem alten Forsthaus. Ich zog meinen Fuß aus dem Schlamm und sank mit dem anderen dadurch noch tiefer ein. Ich stolperte. Kopfüber fiel ich in den Matsch. Auf die Ellenbogen gestützt, kroch ich weiter. Ich hatte keine Kraft mehr.
Als ich aufwachte, lag ich auf dem Bauch. Im Fernseher lief eine weitere Reportage über eine zänkische Tochter und ihre Mutter. Sie stritten sich gerade, schlugen Türen, schrien sich an. Ich machte die Augen wieder zu. Ich war immer noch todmüde.
Sandra kam und stellte mir einen Tee hin. Ich tat so, als würde ich noch schlafen, und nippte erst an dem Tee, als meine Mutter schon wieder in der Küche mit der Spülmaschine hantierte.
Dann hielt ich es nicht mehr aus. Ich überprüfte mein Smartphone. Keine Nachricht von Noah. Aber auf Do-not-fake-it , wo Ela ihr Unwesen trieb, wollte man mir inzwischen die Zähne einschlagen. Eine Belle rief dazu auf. Meine Hände zitterten, als ich den nächsten Schluck Tee trank.
SEBASTIAN
Hallo, Sebastian!
Was geht bei euch? Was ist da mit Julie los? Bin echt angestochen. Was für ein coward hat dieses Profil gefakt? Was ist mit diesen kleinen Ratten (Conrad und Theo)? Und deine Ela hängt da ja anscheinend auch mit drin! War die nicht sogar auf unserer Sommerparty? Merkt ihr denn alle nix? WAS IST LOS? Hast du die E-Mail-Adresse von Conrad? Möchte dem gerne schreiben!!!
Hier ist alles okay. Hab neue Songs geschrieben, nicht so wichtig, schick sie dir irgendwann mal.
Hier geht’s um meine Schwester!!!! Bitte, pass auf sie auf! Schreib mir sofort!
Noah
PS: Wissen die Spacken nicht, dass mein Vater Anwalt ist?
Ich las die Mail zweimal, dann schrieb ich:
Hallo, Noah!
Keine Ahnung, wer dahintersteckt! Ich finde es auch zum Kotzen. Kannste mir glauben!!!! Mit Ela, der dummen Napfsülze, läuft gar nichts mehr, genau deshalb.
Ich hatte die E-Mail-Adresse von Conrad nicht, aber ich fand ihn bei meinen Freunden auf meinem Profil und schickte Noah einen Freundschaftsvorschlag. So konnte er Conrad auch schreiben. Dann klickte ich zurück auf die Startseite meines Profils. Hinter Julies Foto war ein kleiner grüner Punkt. Ich ging zurück in mein E-Mail-Programm.
Gehe jetzt rüber zu Julie, melde mich später noch mal, schrieb ich. Dass Julie gestern früher von der Probe weggegangen war, schrieb ich ihm nicht. Auch nicht, dass sie heute schon wieder nicht in der Schule war. Ich schickte die Mail ab.
Julie machte mir die Tür auf. Sie lächelte, als sie mich sah, und ließ mich rein.
„Wir müssen reden“, sagte ich und kam mir dabei melodramatisch vor. Wissen die Spacken nicht, dass mein Vater Anwalt ist?, hatte Noah geschrieben .
Julie nickte und ging vor mir her ins Wohnzimmer. Eine kalte Tasse Tee stand da, ihr Smartphone lag daneben und das Display leuchtete.
„Was hast du vor?“, fragte ich sie, nachdem wir uns nebeneinander auf das Sofa gesetzt hatten.
„Hat Noah dir auch geschrieben?“, fragte Julie. „Bist du deswegen hier?“
„Nicht nur“, sagte ich.
Sie nahm das Smartphone und schaute darauf. Ihre langen Haare waren ganz wirr, sie schien in den Regen gekommen zu sein und hatte sie dann anscheinend nicht getrocknet. Ich konnte nicht anders, ich berührte sie und strich eine Strähne hinter ihr Ohr. Julie zuckte ein bisschen zurück und ich auch, aber dann traute ich mich doch und zog sie an mich.
„Noah meint, ich solle das alles meinen Eltern erzählen“, sagte sie leise.
„Klar, natürlich.“
„Aber ich …“ Sie sprach den Satz nicht zu Ende.
Ich legte meinen anderen Arm um sie und drückte sie ein bisschen an mich. Sie seufzte, dann machte sie sich los.
„Ist schon gut“, sagte sie und ich wusste, was sie meinte. Ich tröstete sie nicht, jedenfalls nicht nur. Schon
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