Ich blogg dich weg!
Schritt auf Julie zu und sie stand auf, so als fühlte sie sich von mir bedroht.
Julies Gesicht hatte sich verändert. Sie sah einfach nur noch müde aus.
„Aber du kannst dir gratulieren. Inzwischen machen ja alle mit.“
„Ich nicht“, sagte ich. Aber ich sah ihr an, dass sie mir nicht glaubte. „Sieh mich an. Glaubst du nicht, dass mir diese ganze Scheiße egal ist?“ Ich trug heute meinen blau-schwarz karierten Minirock und meine kniehohen Schnürstiefel. Meine Frisur hatte in dem Regen natürlich gelitten, aber trotzdem, es war ja wohl offensichtlich, dass ich mir nichts aus Bikini-Fotos und gefakten Profilen machte. Natürlich las ich im Netz mit, aber nur aus Neugier. Worüber die Leute sich Gedanken machten! Dieser ganze Kram war so weit weg von dem, was ich für wichtig hielt, dass er mir vorkam wie aus einem anderen Universum. Sah man mir das nicht an?
Julie schaute auf meine Stiefel, dann auf meine Hochsteckfrisur, aber sie erwiderte nichts.
„Und außerdem, wenn du denkst, es sei wegen Jase Noju – vergiss es. Ich hab inzwischen eine andere Band.“
Julie schwieg noch immer.
„Und Saint Shauna passt auch viel besser zu mir.“ Nach einer kleinen Pause, die ich machte, um Julie Zeit zum Nachdenken zu geben, fügte ich hinzu: „Vergiss es. Ich kann ja sowieso nichts sagen, was dich überzeugt.“
Der Bus kam und ich setzte mich ganz hinten auf die lange Bank.
Dich sollte mal einer aufklatschen!
muck0187
JULIE
Im Bus schaute ich auf meinem Smartphone nach, ob es etwas Neues gab. Tatsächlich giftete Ela weiter gegen mich. Ich tippte ein, dass ich doch gar nichts von Sebastian wolle. Doch ich sendete es nicht. Es kam mir nicht richtig vor.
Noah hatte mir gemailt. Er schickte Fotos von einem Fußballspiel, bei dem er für seine Schule mitgespielt hatte. Ich betrachtete lange die Bilder. Anscheinend regnete es inzwischen auch in England. Das Fußballfeld war ein besserer Acker und die Spieler sahen aus wie Ferkel, die sich im Schlamm gewälzt hatten. Auf den meisten lachte Noah über das ganze dreckverschmierte Gesicht. Ich habe schon lange nicht mehr so gelacht, dachte ich und spürte, dass mir schon wieder Tränen in die Augen stiegen.
Der Bus fuhr um eine Kurve und an den letzten Reihenhäusern der Kleinstadt vorbei. Die bunten Astern in den Vorgärten ließen im Regen die Köpfe hängen. Die im Sommer verdorrten Gärten sahen inzwischen matschig braun aus. Es war Herbst. Der Bus fuhr über die Hauptstraße. Noch zwei Haltestellen bis zur Förstersiedlung.
Ich schaute mir noch einmal Noahs Mail an. Dann war plötzlich alles ganz einfach. Ich klickte auf „Antworten“ und dann tippte ich in drei Zeilen alles, was mir einfiel. Ich verlinkte das Profil und diese Seite, die Conrad gestaltet hatte. Dann, noch bevor ich viel nachdenken konnte, klickte ich noch einmal und konnte etwas später lesen, dass ich die Mail erfolgreich versendet hatte.
Zu Hause hatte Sandra Nudeln gekocht und ein Glas Pesto aufgemacht. Die Nudeln waren lauwarm und klebten aneinander.
„Du hast mir gar nicht gesagt, dass du später kommst“, sagte sie, als ich lustlos auf dem Teller herumstocherte. „Geht’s dir wieder besser?“
Ich erschrak, denn ich hatte kurz vergessen, dass ich behauptet hatte, krank zu sein, und geglaubt, meine Mutter wüsste von dieser ganzen Internet-Sache.
„Ja“, sagte ich. „Mir geht’s wieder gut. Bin nur noch etwas müde.“
„Du siehst auch müde aus.“
„Ich lege mich gleich noch mal ein Stündchen hin.“
Bevor ich ins Bett ging, schaute ich nach, ob Noah mir schon geantwortet hatte. Aber es gab keine neue Nachricht an mich. Auf Conrads Seite wurde inzwischen darüber gelästert, dass ich immer hinter den Freunden von anderen Mädchen her gewesen sei. Hä?, dachte ich nur. Ich konnte mich an keinen einzigen erinnern. Was dachten diese dummen Hühner nur? Ich unterdrückte meinen Impuls, mich anzumelden und auf dieser Seite zu fragen, wen genau sie denn meinten. Ich hatte in meinem ganzen Leben zwei Freunde gehabt, und beide waren solo gewesen, als ich sie kennenlernte. Wollten sie vielleicht die Namen wissen? Was mich zurückhielt, war Angst. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass ich mich gegen diese ganzen aggressiven Zicken wehren konnte.
Ich kuschelte mich aufs Sofa im Wohnzimmer und schaute mir das Nachmittagsprogramm an. Es war langweilig und genau das Richtige, um ein bisschen zu dösen. Meine Lider wurden schwer und ich machte die Augen zu.
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