Ich brauche dein Lachen
Klatschtante in der ganzen Stadt und trägt ihren Spitznamen ‚Sly – die Verschlagene‘ durchaus nicht umsonst. Sie hätte dich innerhalb der ersten fünf Minuten komplett ausgehorcht.“
„Aber ich konnte den Mund nicht aufmachen! Ich kann kein einziges Wort italienisch.“
„Ich weiß. Das war klasse von mir, oder nicht?“, neckte Rio sie. „Damit habe ich euch beide zum Schweigen gebracht. Sly war total frustriert.“
Holly gab ihm einen spielerischen Stoß in die Rippen und zog die Hand erschrocken zurück, denn das war wohl etwas zu vertraut gewesen. Aber er warf ihr nur ein amüsiertes Lächeln zu, das ihr Herz gleich schneller schlagen ließ. Keiner kann behaupten, dass es Rio Lombardi an Ausstrahlung fehlt, dachte Holly, noch ganz verwirrt von diesem Lächeln, und versuchte, wieder Boden unter den Füßen zu finden. Denn jedes Mal, wenn er sie ansah, glaubte sie, auf einer Wolke zu schweben.
Den nächsten Stopp auf ihrer Einkaufstour machten sie in einem Modegeschäft. Es war so groß und beeindruckend, dass Holly, je weiter sie hineinkamen, umso mehr versuchte, sich hinter Rio zu verstecken, so peinlich war ihr ihre schäbige Kleidung.
„Wer möchten Sie hier sein? Die Tochter eines exzentrischen Milliardärs?“ Rio neigte den Kopf zu ihr herunter und kam ihr dabei so nah, dass sie erschauerte. „Das Mitglied eines europäischen Königshauses, das inkognito reist?“
„Ich möchte einfach nur ich selbst sein, aber reden müssen Sie“, sagte Holly besorgt, als eine lächelnde, beängstigend schlanke Frau auf sie zusteuerte.
„All diese Leute hier interessieren sich nur für mein Geld“, sagte Rio. Es klang leicht verbittert. „Und je reicher man ist, desto mehr kriechen sie vor einem.“
„Davon verstehe ich nicht viel, aber Sie werden hoffentlich nicht unhöflich sein“, flüsterte Holly ihm beunruhigt zu.
Zu ihrer Überraschung lachte er plötzlich.
Er schickte sie allein in die Abteilung für Damenunterwäsche. Holly überhörte den großzügigen Rat einer Verkäuferin, die ihr von jedem Wäschestück gleich hundert andrehen wollte, ganz zu schweigen von Unterwäsche, von der Holly gar nicht gewusst hatte, dass es sie überhaupt gab. Letztlich gab sie sich mit einigen Sets, bestehend aus Slip und BH, zufrieden. Nein, Nachtwäsche brauchte sie nicht. In Ezios Kleidersack hatte sie ein Nachthemd gefunden, das sie inzwischen schon einmal getragen hatte, und verschwenderisch war sie nicht. Was du tust, ist nicht richtig, warnte ihr Gewissen sie. Dass sie sich von Rio Lombardi Sachen bezahlen ließ, war nicht in Ordnung. Aber wenn sie es tat, lächelte er, scherzte er mit ihr. Also sollte er ihr ruhig eine Kollektion nummerierter Kartoffelsäcke kaufen, wenn er es unbedingt wollte.
„Jetzt bin ich auch dabei“, kündigte Rio an, als sie zu ihm zurückgeführt wurde. Er saß auf einem hohen Hocker an einer Minibar in einem geräumigen Saal, in dem es eine kleine Bühne und einen Laufsteg gab. „Champagner?“
Mit Mühe schaffte sie es auf den Hocker neben ihm und nahm ein beschlagenes Glas entgegen. „Was findet hier statt?“
„Die Models stellen ihre Kleider vor. Wir suchen aus, was uns gefällt. Dann probierst du es an.“
„Das haben Sie also schon öfter gemacht.“ Die sprudelnden Champagnerperlen kitzelten sie in der Nase, doch sie lachte nicht. Der Gedanke, dass er hier schon mit anderen Frauen gesessen hatte, gefiel ihr gar nicht, doch er war zu vertraut mit allem, um daran einen Zweifel zu lassen.
„Aber noch nie, ohne dass man mich darum gebeten oder dazu überredet hätte“, gestand er finster.
„Wenn es so ist, hätten Sie einfach Nein sagen sollen“, erwiderte Holly unangenehm berührt. Was sollte sie schon sagen zu Frauen, die ihre Gier so dreist zur Schau stellten? „Es war nicht meine Idee, und Sie machen auf mich nicht den Eindruck, als würde es Ihnen gefallen, also lassen Sie uns gehen … bitte …“
Er zog leicht an einer ihrer braunen Locken und drehte ihren Kopf so, dass sie ihn ansehen musste. „Aber ich will nicht gehen, ich will, dass Sie schön sind …“
Ihr stockte kurz der Atem, und ihre blauen Augen verrieten, wie verwirrt sie war. „Ich kann nicht sein, was ich nicht bin …“
„Du kannst sein, was immer du sein willst, cara .“
Holly blickte in seine strahlenden Augen, und ihr Herz begann zu rasen. Doch ihre schlechte Erfahrung hatte sie vorsichtig werden lassen. Was Rio für sie tat, war wie in einem Märchen. Und Märchen
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