Ich brauche dein Lachen
sie, toll! Jetzt fühlte sie sich gleich noch erbärmlicher, hier zu sitzen, daran zu denken, dass sie ihn liebte, während er das letzte bisschen Selbstachtung, das er ihr zuvor gerettet hatte, wieder in Grund und Boden stampfte.
„Bis vor Kurzem war ich mit einer anderen Frau verlobt.“
Noch so ein Eingeständnis, das sie wie ein Schlag ins Gesicht traf. Dennoch – sie zwang sich, stolz den Kopf zu heben. Wut loderte in seinem Blick nach diesem Geständnis, was so gar nicht ihren Erwartungen entsprach. Keine Spur von Bedauern, keine Gefühlsregung, die sie zu sehen befürchtet hatte. Die Züge in seinem dunklen, hübschen Gesicht waren wie aus Stein gemeißelt.
„Verlobt?“, fragte sie beklommen.
„Ich habe Schluss gemacht. Es ist aus und vorbei und Vergangenheit.“ Er verzog den schönen Mund, in seinen bernsteinfarbenen Augen glitzerte es, während er den Blick auf ihr ruhen ließ. „Das habe ich nur erwähnt, weil mir während der Verlobungszeit der Gedanke gekommen ist zu heiraten. Und ich brauche immer noch eine Ehefrau.“
„Wozu?“ Es klang verrückt, doch Holly konnte nicht anders. Außerdem war sie schrecklich erleichtert darüber, mit welcher Endgültigkeit er von der Auflösung der Verlobung gesprochen hatte. Und das musste schon einige Zeit zurückliegen, sonst hätte er wohl kaum gesagt, es sei „Vergangenheit“.
„Eines Tages will ich meine eigene Familie haben“, sagte Rio jetzt.
„Oh …“
„Außerdem brauche ich eine Frau, die den Haushalt beaufsichtigt und Freunde und Familie betreut. Eine Frau, die versucht, meiner Mutter, die an allen möglichen Beschwerden leidet, eine Tochter zu sein“, zählte Rio auf. „Eine Frau, die es mir zu Hause gemütlich macht, denn ich habe die Phase hinter mir, in der ich meine Zeit mit einer Vielzahl verschiedenster Frauen verbrachte, oder besser gesagt, verschwendete.“
Und er will die Superfrau. Er hat ungeheure Erwartungen, dachte Holly und wusste schon jetzt, dass sie diesen Ansprüchen garantiert niemals gerecht werden konnte. Gleichzeitig wunderte es sie, dass ihm das nicht ebenso bewusst war.
„Du könntest lernen, die Frau zu sein, die ich will“, sagte Rio zuversichtlich.
Doch es hörte sich an, als wäre dazu lebenslanges Training nötig. Schon beim Besuch in einem vornehmen Restaurant war sie aufgeschmissen gewesen. Fast hätte sie hysterisch aufgelacht, aber ihr war noch nie im Leben so wenig nach Lachen zumute gewesen wie jetzt.
„Du musst wissen, dass ich außer der Möglichkeit, dass du schon schwanger sein könntest, gute Gründe habe, von einer Heirat zu sprechen“, fuhr er mit seiner tiefen, dunklen Stimme fort.
„Aber wahrscheinlich machen wir uns Sorgen um nichts …“
„Wirklich? Du bist jung und fruchtbar, und ich möchte lieber nicht erst auf die Bestätigung warten.“ Rio stieß langsam und hörbar den Atem aus. „Wenn wir warten und ein Kind zur Welt kommt, werden manche Leute glauben, ich hätte dich heiraten müssen. Das wäre beschämend für dich.“
Er rechnete wirklich mit dem Schlimmsten. Er glaubte tatsächlich, dass sie mit sehr großer Wahrscheinlichkeit schwanger geworden war. Seine Sicherheit machte ihr Angst. Wie aber konnte sie einen Mann heiraten, der nichts für sie empfand? Zog sie sein Angebot etwa schon ernsthaft in Betracht? Natürlich. Sie musste nicht einmal ihre eigenen Gefühle für ihn in Erwägung ziehen, um die Entscheidung zu treffen. Sie hatte Timmie nichts zu bieten, Timmie, der sich als Timothy zweifellos prächtig entwickeln würde. Wenn sie Rio heiratete, würde es ihrem Kind an nichts fehlen. Ihr Sohn hätte ein Zuhause, Liebe und Sicherheit und einen Menschen, der bereit war, sein Adoptivvater zu sein. Er mochte ihren Sohn schon jetzt. Ich habe so ziemlich das große Los gezogen, als ich Rio vor die Limousine gefallen bin, gestand Holly sich schuldbewusst ein und hatte das Gefühl, dass schon sehr bald sie ihn benutzen würde.
Sie verschränkte die zitternden Finger und fragte: „Wann hast du angefangen, über all das nachzudenken?“
„Zehn Minuten nachdem du letzte Nacht aus meinem Zimmer geflohen warst“, gestand Rio und ließ sie erneut aufblicken. „In meinem ganzen Leben hatte ich noch nie ein so schlechtes Gewissen.“
„Danke …“ Ihre Stimme klang wieder unsicher, und sie presste die Lippen fest zusammen und kämpfte gegen die Tränen an.
„Ich werde mich um dich und deinen Sohn kümmern. Du brauchst mich. Ich mag es, wenn man mich braucht.
Weitere Kostenlose Bücher