Ich brauche dein Lachen
hinunter, sehr vorsichtig, da sie Schuhe mit hohen Absätzen trug. Ihr Herz klopfte so schnell vor Angst und Nervosität, dass ihr fast übel wurde. Sie bummelte durch die Halle, betrachtete noch einmal in aller Ruhe ihr Spiegelbild, und auch jetzt erkannte sie sich selbst kaum wieder. Wer war diese schlanke Gestalt in der schicken Jacke, der man Stil und Preis ansah?
Eine Tür wurde aufgerissen. „Holly … beeil dich“, bat Rio sie eindringlich und schon halb verzweifelt.
Selbst jetzt ist er umwerfend attraktiv, dachte Holly schmerzlich berührt. Und Angst war ihm fremd. Natürlich konnte er ihre Sorge weder verstehen noch teilen. Natürlich hielt er ihre panische Angst für übertrieben und unvernünftig. Wahrscheinlich ist er niemals in einer Situation gewesen, die er nicht mehr im Griff hatte. Er wusste nicht, wie es war, wenn man sich machtlos und der Gnade anderer ausgeliefert fühlte. So gut und wohlmeinend diese Leute auch sein mochten, trafen sie dennoch manchmal entsetzliche und schonungslose Entscheidungen.
Eine blonde ältere Frau mit kühlen blauen Augen, eine Frau, die etwas Tüchtiges an sich hatte, saß im Salon und sprach sie sofort an. „Miss Holly Sansom?“, fragte sie, wobei sie die Brauen zweifelnd hochzog.
„Ja … ich bin Holly.“
Timmie saß auf dem Teppich, umgeben von Spielsachen, und als er seine Mutter sah, gluckste er und streckte die Ärmchen nach ihr aus. In seiner neuen Kleidung sah er aus, als wäre er mit einem silbernen Löffel im Mund geboren worden. Sie nahm ihn zu sich, setzte sich, mit Timmie auf dem Schoß, und hielt ihren Sohn fest an sich gepresst, das Kinn auf seinen fein duftenden, flaumigen dunklen Locken.
„Dr. Coulter teilte mir mit, dass Sie zurzeit hier wohnen, Miss Sansom“, sagte die blonde Frau. „Stimmt das?“
„Holly und ich werden heiraten“, warf Rio ganz beiläufig ein. Der Blondine hatte es den Atem verschlagen, aber dann sah sie in ihren Aktenordner auf ihrem Schoß und blickte auf, um Timmie zu beobachten. Schließlich warf sie einen verstohlenen Blick in Rios Richtung, und ein leises Lächeln umspielte ihre Mundwinkel. „Es freut mich sehr, dass dieser Fall damit abgeschlossen ist. Timmie sieht äußerst zufrieden aus.“
„Ich hoffe, ich kann Timothy als meinen Sohn adoptieren“, bemerkte Rio.
Die Blonde nickte bedächtig, sah nun aber leicht verwirrt aus, bevor sie ihnen endlich alles Gute wünschte und sich aus ihrem Sessel erhob, um zu gehen.
Holly überließ es Rio, die Frau hinauszubegleiten. Wenig später kam er zurück.
„Miss Elliott war der Ansicht, Timothy sei mein Sohn.“
Holly schoss die Röte ins Gesicht. Erschrocken stand sie auf, so unvermittelt, dass ihre Korkenzieherlocken wippten. An diese Möglichkeit hatte sie noch gar nicht gedacht. Aber jetzt, da Rio es erwähnte, erinnerte sie sich an das Verhalten der Sozialarbeiterin. „Ehrlich? Hat sie beim Hinausgehen etwas gesagt?“
„Das brauchte sie gar nicht. Es stand ihr ins Gesicht geschrieben. Timothys dunkles Haar und meine Ankündigung, dass wir heiraten werden, waren ihr wohl Beweise genug.
Allerdings gefällt es mir nicht, wenn irgendjemand glaubt, ich würde die Mutter meines Kindes so behandeln, wie du vom Vater deines Sohnes behandelt worden bist. Deswegen habe ich erwähnt, dass ich Timothy adoptieren möchte.“
Rio durchquerte den Raum und setzte sich auf den Hosenboden, um ihren Sohn zu betrachten. Timmie war inzwischen ganz schläfrig. „Er ist erstaunlich. Den halben Vormittag über wird er gefüttert, gebadet und angezogen, und kaum ist er fertig, ist er schon wieder bereit fürs Bettchen.“
Dankbar für diese Ablenkung, sagte Holly: „Er hat schon immer viel geschlafen. Er ist so lieb. Und du, Rio, warst wirklich großartig zu Miss Elliott.“ Verlegen biss sie sich auf die Lippe, als sie ihm für seine Unterstützung dankte. „Sehr überzeugend. Ich weiß, es hat dir bestimmt keinen Spaß gemacht, das zu sagen, ich meine – das von uns beiden –, aber ich bin dir sehr dankbar. Egal, was passiert, ich werde nie wieder ein solches Risiko mit meinem Sohn eingehen.“
Rio betrachtete sie mit zusammengekniffenen, blitzenden Augen und runzelte die Stirn. „Ich glaube, wir haben aneinander vorbeigeredet. Wir unterhalten uns weiter, nachdem du Timothy in sein Bett gebracht hast.“
Aneinander vorbeigeredet? Wieso das? Und weshalb bemerkte sie erst jetzt, wie bestimmend Rio sein konnte? Er erteilte Befehle, als ob er sein Leben lang
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