Ich ein Tag sprechen huebsch
you.« Nennen Sie mich sensibel, aber ich konnte das nicht anders als persönlich nehmen.
Weil ich der Lehrerin nicht recht geben mochte, die mich der Faulheit zieh, verbrachte ich vier Stunden pro Abend mit Schularbeiten und arbeitete sogar noch länger, wenn wir einen Aufsatz »auf«-hatten. Ich wäre, glaube ich, auch mit weniger durchgekommen, aber ich war entschlossen, mir eine Art Identität aufzubauen. Wir hatten eine dieser »Führen Sie den Satz zu Ende«-Übungen, und ich murkste stundenlang daran herum, wobei ich mich unweigerlich für Sachen wie »Einen Dauerlauf um den See. .. / ... würde ich liebend gern machen, ich muss aber nur noch rasch mein Holzbein anschnallen« entschied. Die Lehrerin übermittelte mir, in Worten wie in Taten, dass, falls es dies war, was mir unter Identität vorschwebte, sie nichts damit zu tun haben wollte.
Meine Angst und Beklommenheit krochen über die Schwelle meines Klassenzimmers und begleiteten mich hinaus auf die weiten Boulevards. Irgendwo schnell einen Kaffee trinken gehen, nach dem Weg fragen, Geld aufs Konto einzahlen: All das kam nicht in Frage, weil es mit Sprechen verbunden war. Vor Schulbeginn hatte ich keine Bedenken gehabt, einfach Draufloszuplappern, aber jetzt war ich überzeugt, dass alles, was ich sagte, falsch war. Wenn das Telefon läutete, ignorierte ich es. Wenn mich jemand was fragte, stellte ich mich taub. Ich wusste, dass die Angst langsam überhandnahm, als ich anfing, mich zu wundern, warum sie Käse- und Wurstaufschnitt nicht in Automaten verkauften.
Mein einziger Trost war das Wissen, dass ich nicht allein war. In verräucherten Korridoren zusammengerottet und das Beste aus unserem mitleiderregenden Französisch machend, pflegten meine Mitschüler und ich die Art Konversation, wie man sie wohl meist in Flüchtlingslagern zu hören kriegt.
»Manchmal mich weine allein bei die Nacht. «
»Das ist für mich gewöhnlich auch, aber sein mehr stark, du. Viel Arbeit, und ein Tag man hübsch spricht. Leute bald stoppen einen hassen. Vielleicht morgen, okay?«
Im Gegensatz zu anderen Schulen, die ich besucht habe, gab es hier keinerlei Konkurrenzdenken. Wenn die Lehrerin einer schüchternen koreanischen Frau mit einem frischgespitzten Bleistift ins Augenlid stach, fanden wir keinen Trost in der Tatsache, dass wir, im Gegensatz zu Hai-yun Cho, alle das unregelmäßige Imperfekt des Verbums »besiegen« beherrschten. Zwar muss man Fairerweise sagen, dass die Lehrerin die Frau nicht absichtlich verletzt hatte, sie vergeudete aber auch nicht viel Zeit mit Entschuldigungen, sondern sagte nur: »Sie hätten eben besser aufpassen sollen. «
Mit der Zeit wurde es unmöglich zu glauben, auch nur einer von uns würde je besser werden. Der Herbst kam, und es regnete jeden Tag. Es war Mitte Oktober, als die Lehrerin sich mich herausgriff und sagte: »Jeder mit Ihnen verbrachte Tag ist wie ein Kaiserschnitt für mich«, und ich merkte plötzlich, dass ich, seitdem ich in Frankreich angekommen war, zum ersten Mal jedes Wort verstehen konnte, wenn jemand was sagte.
Verstehen bedeutet nicht, dass man die Sprache plötzlich sprechen kann. Bei weitem nicht. Es ist ein kleiner Schritt, mehr nicht, aber sein Lohn ist berauschend und trügerisch. Die Lehrerin fuhr mit ihrer Schmährede fort, ich machte es mir bequem und badete in der subtilen Schönheit jeder neuen Verwünschung und Beleidigung.
»Sie erschöpfen mich mit Ihrer Narretei und belohnen meine Mühen mit nichts als Schmerz, verstehen Sie mich?«
Die Welt öffnete sich, und mit großer Freude erwiderte ich: »Ich kenne die Sache, was Sie sprechen, genau jetzt. Sprechen Sie mir mehr, plus, bitte, plus.«
Jesus schummelt
Und was macht man am 14. Juli? Feiert man da den Sturm auf die Bastille?«
Mittlerweile lernte ich im zweiten Monat Französisch, und die Lehrerin machte mit uns eine Übung zum Gebrauch des Wörtchens man, unser jüngstes Personalpronomen.
»Darf man am Nationalfeiertag singen? Darf man in den Straßen tanzen? Wer weiß die Antwort?«
In unserem Lehrbuch waren die Daten der wichtigsten Feiertage abgedruckt, umgeben von mehreren Fotos, die Franzosen beim Feiern zeigten. Die Aufgabe bestand darin, dem jeweiligen Feiertag das entsprechende Bild zuzuordnen. Es war nicht weiter schwer, aber die Übung schien mir besser für die Einführung der dritten Person Plural geeignet. Ich wusste nicht, wie der Rest der Klasse dachte, aber für mich war klar, dass ich am Nationalfeiertag zu Hause
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