Ich fühle was, was du nicht siehst - Mallery, S: Ich fühle was, was du nicht siehst
nicht mit.” Melissa verschränkte die Arme. „Du kannst mich nicht zwingen.”
Abby sah Liz an. „Ich möchte bei dir bleiben.”
Liz gab ihr einen Kuss auf die Stirn. „Darüber bin ich sehr froh. Ich möchte, dass ihr mit euren Freunden in Kontakt bleibt. Das schaffen wir schon. Okay?”
Abby nickte.
„Sie lügt”, sagte Melissa zu ihrer Schwester. „Wir sind ihr völlig egal.”
„Wenn wir ihr egal wären, würde sie einfach abhauen”, entgegnete Abby, die sich immer noch an Liz klammerte. „So wie Bettina. Außerdem haben wir keine andere Wahl. Außer Liz gibt es ja niemanden.”
Diese einfachen, kindlichen und doch so weisen Worte brachen Liz fast das Herz. Kein elfjähriges Mädchen sollte sich der bitteren Realität so glasklar bewusst sein. Tyler war gleich alt und hatte keine Ahnung von den dunklen Seiten des Lebens.
„Ich möchte, dass wir es schaffen”, sagte Liz zu Melissa.
„Ich gehe nicht weg von hier.” Melissa stand auf und verließ das Zimmer.
„Sie kriegt sich schon wieder ein”, sagte Abby und löste sich von Liz. „Es wird eine Weile dauern, aber dann akzeptiert sie es. Als wir allein waren, bevor du gekommen bist, hat sie große Angst gehabt.”
„Du nicht?”
„Doch. Aber ich hatte jemanden, der sich um mich kümmert. Sie hatte niemanden.”
„Es tut mir so leid”, sagte Liz. „Ich wünschte, ich hätte früher erfahren, dass es euch gibt.”
„Ich auch.”
Nach dem Mittagessen gingen sie zu viert ins Freibad. Sie fanden ein kühles Plätzchen im Schatten. Liz, die ihren Laptop mitgenommen hatte, saß mit dem Rücken an einen Baum gelehnt im Gras und betete, dass ihr etwas einfiel. Theoretisch hatte sie noch Zeit genug, um den Roman fertig zu schreiben. Sie war also nicht in Verzug. Noch nicht. Aber wenn es noch ein paar Wochen so weiterging, würde sie in Panik geraten.
Während ihr Laptop hochfuhr, betrachtete sie die anderen Mütter mit ihren Kindern um sie herum. Die meisten schienen sich zu kennen. Einer der vielen Segen – und Flüche – des Kleinstadtlebens.
Sie sah sich nach Tyler um und fand ihn dank jahrelanger Übung sofort in der Menge der vielen Badegäste. Auch Melissa und Abby waren leicht zu erkennen. Durch ihr rotes Haar hoben sie sich von den anderen Leuten deutlich ab. Erleichtert lehnte sie sich zurück. Nach dem heutigen Vormittag hatte sie sich eine Verschnaufpause verdient.
Ihr Glück währte nicht lange. Fünf Sekunden später hörte sie jemand ihren Namen sagen.
„Liz.”
Sie brauchte nicht aufzuschauen, um zu wissen, dass es Ethan war. Ethan, den sie im Moment am allerwenigsten sehen wollte. Niemals mehr sehen wollte.
„Tyler hat erzählt, dass ihr nach dem Mittagessen hierherkommt.”
Sie fixierte den Monitor ihres Laptops. Routiniert startete sie ihr Schreibprogramm und öffnete die Datei mit ihrem angefangenen Roman.
Er ließ sich neben ihr ins Gras fallen. „Hatte ich schon erwähnt, dass es mir leidtut?”
Als Liz sich zu ihm drehte, war sie froh über die Sonnenbrille auf ihrer Nase und den großen Hut, den sie aufgesetzt hatte. Wenigstens brauchte sie sich keine Sorgen zu machen, dass er sah, dass sie weniger verärgert, sondern verletzt war. Er würde nicht merken, wie sehr ihr sein Verrat zu schaffen machte.
„Es war nicht für deine Ohren bestimmt”, erklärte er.
„Verstehe. Dir tut also leid, dass ich es gehört habe – und nicht, dass du es gesagt hast. Danke für die Klarstellung.”
Er runzelte die Stirn. „So habe ich das nicht gemeint.”
„Ach nein? Aber du hast es genau so gesagt.”
„Verdammt, Liz, nun mach mal halblang.”
„Warum? Zuerst erzählst du Tyler, ich sei schuld daran, dass ihr euch erst jetzt kennenlernt. Und kurz darauf sagst du deiner Mutter, dass dir nichts an mir liegt. Ich habe nicht erwartet, dass du ihr gestehst, ich wäre die Liebe deines Lebens. Aber ein bisschen Respekt wäre nett gewesen.”
„Du hast recht.”
„Aber da habe ich wohl zu viel erwartet. Du hast mich einfach verleugnet. Das überrascht mich nicht. Es war ja nicht das erste Mal.”
Er sah sie unverwandt an. „Mir sagst du ständig, ich soll die alten Geschichten nicht aufwärmen. Aber du selbst hältst dich damit alles andere als zurück.”
Liz machte den Mund auf und wieder zu. Sie war wütend und gekränkt und wollte nicht zugeben, dass er recht hatte. Sie würde sein Argument einfach ignorieren.
„Wir haben miteinander geschlafen, Ethan. Es war zwar nicht geplant, aber es ist
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