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Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition)

Titel: Ich fürchte mich nicht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tahereh H. Mafi
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sind draußen, meine Hände umklammern das Seil. Ich höre Adam rufen, weiß nicht, wie weit unten er ist. Warner schreit meinen Namen, und obwohl ich es nicht tun will, schaue ich noch zu ihm hinüber.
    Seine Augen sind wie grüne Pistolenschüsse, die Glas zerschmettern. Mich durchdringen.
    Ich atme tief und hoffe, dass ich überleben werde.
    Ich atme tief und hangle mich am Seil nach unten.
    Ich atme tief und hoffe, dass Warner nicht gemerkt hat, was gerade geschehen ist.
    Ich hoffe, er weiß nicht, dass er mein Bein berührt hat.
    Und dass nichts passiert ist.

28
    Ich brenne.
    Das Seil schürft brutal meine Beine auf. Es ist fast ein Wunder, dass bei der Reibung kein Rauch aufsteigt. Ich versuche den Schmerz zu ignorieren, weil ich keine andere Wahl habe. Die Hysterie im Gebäude überträgt sich auf mich. Adam schreit mir zu, ich solle springen, er werde mich auffangen. Ich habe Angst und schäme mich.
    Doch die Ereignisse entscheiden für mich.
    Ich höre die verwirrten erschrockenen Rufe der Soldaten, die mein Zimmer gestürmt haben. Vermutlich sind sie schockiert über Warners Zustand. Irgendwie war es zu einfach, ihn zu überwältigen. Das beunruhigt mich.
    Vielleicht haben wir etwas falsch gemacht.
    Einige Soldaten starren aus dem Fenster zu mir herunter, und ich rutsche schnell weiter. Sie machen sich daran, den Haken zu lösen. Ich rechne jeden Moment damit, abzustürzen, aber dann merke ich, dass sie mich nicht fallen lassen wollen, sondern versuchen, mich wieder hochzuziehen.
    Vermutlich Warners Befehl.
    Ich schaue nach unten und höre jetzt auf Adam. Kneife die Augen zu und lasse los.
    Und falle direkt in seine geöffneten Arme.
    Wir stürzen beide zu Boden, rappeln uns sofort wieder auf. Adam packt meine Hand, und wir rennen los.
    Vor uns erstreckt sich eine Einöde. Aufgeplatzter Asphalt, unbefestigte Wege, sterbende Pflanzen, eine Stadt, die den Elementen überlassen wurde. Welkes Laub, das unter unseren Füßen knirscht. Kleine niedrige Baracken, um die Adam einen Bogen macht. Die Lautsprecher verfolgen uns bereits. Eine mechanische Frauenstimme übertönt die Sirenen. »Es herrscht Ausgangssperre. Gehen Sie sofort nach Hause. Bewaffnete gefährliche Rebellen sind unterwegs. Es herrscht Ausgangssperre. Gehen Sie sofort nach Hause. Bewaffnete gefährliche Rebellen –«
    Ich habe Seitenstechen, meine Beine schmerzen, mein Mund ist trocken. Wie weit wir schon gelaufen sind, weiß ich nicht. Nur dass irgendwo hinter uns Stiefel aufs Pflaster knallen, dass mit quietschenden Reifen Jeeps aus unterirdischen Garagen rasen, dass überall Sirenen kreischen.
    Wenn ich mich umdrehe, sehe ich, wie die Leute schreiend Schutz suchen vor Soldaten, die in ihre Häuser eindringen, um nach uns zu suchen. Adam zieht mich weg von den Resten unserer Zivilisation, läuft in die verlassenen Straßen einer vergangenen Zeit, zu alten Läden und Restaurants, kleinen Gassen, Spielplätzen. Diese Regionen unserer Vergangenheit sind schon lange verbotenes Terrain. Alles ist verfallen, verrostet, leblos. Niemand darf diese Gebiete betreten, nicht einmal Soldaten.
    Durch diese Straßen rennen wir nun, auf der Suche nach Schutz.
    Die Sonne sinkt rasch. Bald wird es dunkel sein, und ich habe keine Ahnung, wo wir sind. Ich hätte nie erwartet, dass alles so schnell und an einem einzigen Tag passieren würde. Hoffe, dass wir überleben werden, wenn wir auch offenbar ziellos herumirren. Ich habe Adam nie gefragt, wo er eigentlich hin will.
    Wir rennen in zig unterschiedliche Richtungen. Machen abrupt kehrt, laufen ein paar Schritte, biegen erneut ab. Ich kann nur annehmen, dass Adam auf diese Art versucht, unsere Verfolger zu verwirren. Und ich bemühe mich angestrengt, Schritt zu halten.
    Was mir nicht gelingt.
    Adam ist Soldat, durchtrainiert und für solche Situationen ausgebildet. Er weiß, wie man flieht, abtaucht, sich geräuschlos bewegt. Ich dagegen bin ein schwächliches Mädchen, das Ewigkeiten nur in einer Zelle gesessen hat. Meine Lunge brennt und droht den Dienst zu versagen.
    Schließlich keuche ich so erbärmlich, dass Adam mich in eine schmale Seitenstraße zieht. Er atmet nur ein bisschen schneller als gewöhnlich, aber mein geschwächter Körper steht kurz vor dem Zusammenbruch.
    Adam nimmt mein Gesicht in die Hände und sucht meinen Blick. »Versuch bitte so zu atmen wie ich, ja?«
    Ich ringe um Luft.
    »Konzentrier dich, Juliette.« Sein Blick ist entschlossen und unendlich geduldig zugleich. Er scheint keine

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