Ich gab mein Herz fuer Afrika
Von
ihrer langen Freundschaft her wusste Delta, wie furchtlos Joan sein konnte, und Joan hatte Delta häufig mit ihrer Intelligenz beeindruckt – bei einem denkwürdigen Abendessen wurde Joan neben Stephen Jay Gould gesetzt, den Harvard-Professor, Paläontologen, Evolutionsbiologen und wohl einflussreichsten und meistgelesenen Wissenschaftsautor seiner Generation. »Nach dem Essen stellte er Joan schließlich Fragen«, erinnerte sich Delta. Doch in all diesen Jahren der Freundschaft hatte Delta Joan noch nie so niedergeschlagen und aus dem Ruder erlebt wie in der Zeit, nachdem Alan sie verlassen hatte. 243
Während dieser Jahre beschäftigte sich Joan in ihrem Tagebuch mit den Menschen, die ihr am nächsten standen, auch mit ihrer Mutter, die sie mindestens einmal pro Jahr zu Hause im südafrikanischen Durban besuchte, bis sie 1989 mit über achtzig Jahren starb. 244 Joan schrieb auch von ihrem Vater, dem sie sich wieder angenähert hatte. Er hatte Kenia verlassen, um mit seiner zweiten Frau um die Welt zu segeln, und war dann nach Amerika gezogen, zuerst nach Santa Fe – dort arbeitete er als Makler – und dann nach Amarillo, Texas, wo er sich zur Ruhe setzte. 245 Und immer schrieb Joan, immer noch voller Liebe und Verzweiflung, über Alan, wo er war und was er in seinem persönlichen und beruflichen Leben machte.
Obwohl sie unablässig an ihn dachte, bemühte sie sich sehr, ihn aus ihrem Herzen zu verbannen und ihren Abenteuergeist wiederzufinden. Irgendwann während
dieser Phase lud sie einen südafrikanischen Juwelier namens Otto Poulsen zu einem Besuch bei ihr in Naivasha ein. 246 Sie kannte ihn von den vielen Aufenthalten bei ihrer Mutter in Durban. Ihn faszinierte ihr exzentrisches, ungewöhnliches Leben inmitten der Tiere. Er bemerkte, dass ein Tor neben der Landebahn gewaltsam umgestoßen worden war – Joan erklärte ihm, dass Sally, das verwaiste Flusspferd, immer gerne den Kopf daraufgelegt hatte, bis das Tor unter dem Gewicht zusammengebrochen war.
Nach dem Mittagessen unternahmen sie einen Ausflug in Joans Pajero. »Lehn dich einfach zurück und genieße die Fahrt, ich erzähle dir alles über die Plätze, durch die wir fahren«, sagte sie zu Poulsen. An diesem einen Tag war sie ganz die Alte, sie erlebte die Safaris mit ihrem Vater und später mit Alan noch einmal wieder. Als der Pajero mitten im Nirgendwo eine Panne hatte, bat Joan, findig und patent wie immer, Poulsen, ihren Feldstecher zu nehmen und Vögel zu beobachten, während sie den Motor reparierte. Sie brauchte eine halbe Stunde. Dann fuhr sie Poulsen in die Aberdare-Berge, in eine berühmte Lodge namens Treetops. Sie liegt am Fuß der Berge, und die Gäste können von dort aus auf den uralten Wanderpfad der Elefanten hinunterblicken. (Die Lodge war in den 30er Jahren auf Stelzen in einen großen Baum hineingebaut worden – daher der Name.)
Joan war mit dem Parkhüter des Aberdare Nationalparks befreundet. Sein Haus lag neben dem Hotel, und sie konnten bei ihm wohnen. Die Treetops Lodge hat
eine lange Reihe erlesener Gäste vorzuweisen, von Robert F. Kennedy bis Elisabeth von England, die 1952 in der Nacht hier abgestiegen war, in der ihr Vater starb und sie Königin von England wurde. »Hier kletterte Königin Elisabeth II. als Prinzessin auf einen Baum und kam als Königin herunter«, schrieb eine Zeitung. 247
Bei Sonnenuntergang standen Joan und ihr Freund auf einer der Aussichtsplattformen des Treetops und sahen zu, wie Elefanten aus einem Wasserloch tranken. »Es war, als würde man in einem Theater sitzen und auf eine Bühne blicken«, erinnerte sich Otto Poulsen und fügte hinzu, dass das Geschehen auf der Bühne immer interessanter wurde, weil sich Nashörner, Antilopen und Zebras zu den Elefanten gesellten. Dann kehrten Joan und er zum Abendessen zu dem Parkhüter nach Hause zurück. »Unglaublich gastfreundlich, wunderbares Essen, guter Wein, begleitet von der Musik des Waldes«, sagte Poulsen. »Der Wildhüter hatte in dieser Nacht im Treetops Dienst und ließ uns etwas Süßes zum Dessert und eine weitere Flasche Wein da. Ob er in die Verschwörung eingeweiht war, weiß ich nicht. Aber wir wurden in dieser Nacht intim.«
Joan bewies sich, dass sie auch mit einem Mann, der nicht Alan war, leidenschaftlich werden konnte. Sie verspürte neue Energie und Kraft, und als sie am nächsten Morgen aufstand, fühlte sie sich wie ein neuer Mensch. »Liebster Otto«, schrieb sie später, »ich habe dir alles erzählt, weil ich
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