Ich gab mein Herz fuer Afrika
den Regenzeiten richteten, und im Fall einer Dürre, die in Naivasha nicht selten vorkam, konnte es sein, dass sie gebraucht wurde, mit helfender Hand, einer Schüssel Wasser, einer warmen Unterkunft oder gar einem Nest. In vielen Bäumen auf ihrem Anwesen baute sie Nester für die Vögel, die vielleicht einmal selbst nicht mehr fähig wären, eines zu bauen. Diese Frau, die nie eigene Kinder bekommen konnte, diente unzähligen Geschöpfen als Hebamme.
»Manche Leute sehen einfach nur ein paar Tiere auf einem Flecken Buschland«, sagte Joan später einem Journalisten, der sie nach großem anfänglichen Widerstand überredet hatte, sich für ein Touristenmagazin aus Nairobi interviewen zu lassen. Es ging um Menschen in Kenia, die Spuren hinterlassen hatten. Es sollte das einzige Interview nach der Zeit mit Alan sein, um das Joan Root jemals gebeten wurde. »Aber ich habe das hier zu einer Art Miniaturreservat gemacht, ich erhalte die Umwelt durch Tiere, die auch in der Wildnis zusammenleben würden.« 238 »Sie hat sich unheimlich zurückgehalten, doch dahinter stand ihr großes Engagement für alles, was zur Natur gehört. Man hatte beinahe das Gefühl, sie würde selbst in der Natur aufgehen«, fügte eine bekannte Filmemacherin hinzu. 239 »Sie hat sich sehr dafür eingesetzt, die zerbrechliche Struktur des Landes zu
schützen, besonders den See«, sagte eine enge Freundin. »Ihr Land verlieh ihrem Leben Sinn.« 240
Dennoch war Joan innerlich gezeichnet, eine alleinstehende Frau, die sich völlig in sich selbst zurückzog und nicht fähig war, genau zu artikulieren, wie es ihr ging. Trotz ihres Einsatzes für die Gemeinschaft verbrachte sie viel Zeit ganz einfach schweigend, ihr Kummer war eine unausgesprochene, jedoch offenkundige Last. Wenn sie überhaupt etwas sagte, sprach sie von den Tieren in der Wildnis. Es schien beinahe, als würde sie in ihrer Verletztheit eine noch größere Nähe zu den Tieren spüren, die sie brauchten. Sie nahm Schildkröten mit zerbrochenen Panzern auf, wehrlose Käuzchen, verkrüppelte Buschböcke, lahme Thomson-Gazellen. Wehe den Raubtieren, die es wagten, die Tiere auf Joans Grund und Boden anzugreifen – besonders den Pythons, die, wie sie schrieb, unter die Voliere schlüpften, »wo ich Erdhörnchen halte«, und sich »bei uns breitmachen, weil es so gut nach Antilope riecht«. Sie schrieb, dass sie in zwei Jahren elf Pythons gefangen hatte, die größte über vier Meter lang.
»Ich stelle mich beim Einfangen der Schlangen mittlerweile ganz geschickt an. Kiari ist sehr stolz und mutig und hält mir den Sack auf, damit ich sie hineinstecken kann.«
Lady Sarah Edwards, eine Nachbarin, erzählte ihre Lieblingsgeschichte, wie Joan einmal den Gedenkgottesdienst für einen Freund besuchte, der auf einem zerklüfteten Felsen stattfand. Sie hatte ein großes Bündel dabei, mit einer Python darin, die sie auf ihrem Grundstück
gefangen hatte, weil diese Schlangen hinter ihren Antilopen her waren. Sie wollte sie an dem Tag freilassen. Doch Joan fand den Felsen zu gefährlich und steil für die Schlange und entschied sich dagegen. Stattdessen ging sie mit der Python in einem Sack unter dem Arm zum Tee. 241
Manchmal fuhr sie bei Sarah Higgins vorbei, die sich ebenfalls vor Ort sehr engagierte und ebenfalls wilde Tiere liebte. Sarah, eine fröhliche und einnehmende Umweltschützerin, unterhielt auf der großen Terrasse, von der man ihr Land überblicken konnte, eine Art Salon. Wenn Gäste kamen, stand stets eine Teekanne mit einer wattierten Teehaube auf dem Tisch, dazu gab es köstliche Kekse. Joan machte häufig Nachbarschaftsbesuche, trank Tee und plauderte über die vielen verschiedenen Wildtiere und Vögel, die durch ihrer beider Gärten zogen. Bedächtig erzählte sie von den Tieren, die sie gesundpflegte. Aber sobald auf der Terrasse der Higgins’ jemand auftauchte, den sie nicht kannte, war sie sofort verschwunden, wie ein aufgescheuchter Vogel. 242
Ihren engsten Freunden vertraute sie ein wenig von ihrem Kummer an. Sie fanden Joans Stärke beeindruckend und staunten über die Tiefe ihres Schmerzes. Kurz nach der Trennung von Alan ging sie mit Delta Willis, ihrer alten Freundin von Survival, auf Safari ins Land der Samburu. Sie gestand ihr, wie sehr Alan ihre Gefühle durcheinanderbringe: Am einen Tag schicke er ihr einen Valentinsgruß, am nächsten zeige er ihr die kalte Schulter, daher wisse sie nie, woran sie sei. Das war eine Joan, die Delta bislang nicht gekannt hatte.
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