Ich gegen Dich
konnte es aber nicht. Die Wut fiel von ihm ab, und da stand er nun, schwach und zu nichts zu gebrauchen, und wusste gar nichts. Wenn er ihr zuhörte, klang es ganz so, als hätte er alles, aber auch alles verkehrt angefangen.
»Weißt du, was Gillian mir gesagt hat?«, zischte sie. »Dass ich nichts dafür kann. Sie hat gesagt, ich soll einen Minirock tragen dürfen, wann immer mir danach ist. Sie hat gesagt, ich soll in meinem Scheiß-Bikini auf eine Party gehen können, wenn ich will. Ich soll tanzen, trinken und spät nach Hause kommen können. Ich soll sogar Tom Parker bis zur Bewusstlosigkeit abknutschen dürfen, alles das heißt noch lange nicht, dass er mit mir machen darf, was er gemacht hat.« Sie drückte Mikeys Arm noch fester, bebte dabei vor Wut. »Immer wenn ich versucht hab, mit dir über diese Nacht zu reden, hast du einfach nicht hingehört. Solange du es nur geschafft hast, ihm eine reinzuhauen, war die Wahrheit egal. Aber für mich zählt überhaupt nur das, checkst du das nicht?«
Da machte Mum ihnen Zeichen, ruhig zu sein, weil Holly in der Tür stand, zitternd in ihrem Schlafanzug. »Warum streitet ihr euch?«
»Es ist nichts«, sagte Mum, »sie albern nur rum.«
»Ich hab Geschrei gehört.«
»Du hast geträumt.«
Karyn ließ seinen Arm los, und er stand da und rieb sich darüber, während seine Mum ihr Handy wieder einsteckte und zu Holly ging. Sie hob sie hoch, umarmte sie und drückte ihr Küsschen aufs Haar. Es war wie eine Erinnerung an seine Mutter von ganz früher, wie jemand, den er seit Jahren nicht mehr gesehen hatte.
»Ich bin ja da«, sagte Mum. »Schsch, nicht weinen.«
Alle sahen sie zu, Karyn und er schnaufend, als wären sie gerannt und beide mitten im Wohnzimmer steckengeblieben.
»Na komm«, sagte Mum, »bringen wir dich wieder ins Bett, Schätzchen.«
Holly sah überrascht aus. »Bringst du mich ins Bett?«
»Klar, warum nicht?«
»Können wir in deinem Zimmer fernsehen?«
»Nein, du hast morgen Schule.«
»Erzählst du mir 'ne Geschichte?«
»Nein, Mäuschen, es ist Schlafenszeit.«
Holly steckte sich den Daumen in den Mund und kuschelte sich an, in der Hoffnung, die ganze Treppe wieder raufgetragen zu werden. Mikey konnte kaum hinsehen. Normalerweise brachte er Holly wieder rauf, wenn sie aufwachte – dann lag er mit ihr auf dem Bett, hörte sich an, wie sie über alles und nichts quasselte, und sah zu, wie sie langsam in den Schlaf abdriftete.
»Ich komm wieder«, sagte Mum, »dass mir ja keiner abhaut.«
Zu dritt blieben sie schweigend zurück. Jacko zog seinen Tabak raus. Karyn setzte sich aufs Sofa. Mikey stand da und rieb sich den Arm.
»Ich wollte dich nicht verletzen«, sagte er.
Karyn stierte ihn böse an. »Versuch gar nicht erst, mir zu erzählen, dass du gedacht hast, es würde mir nichts ausmachen.«
»Das hab ich nicht gesagt.«
»Was denn?«
»Dass ich nicht vorhatte, sie zu mögen, es ist einfach passiert. Sie ist ein sehr netter Mensch. Bestimmt würdest du sie mögen, wenn du sie kennenlernen würdest.«
»Ah, Mikey.« Jacko schüttelte den Kopf.
»Was?«
»Du weißt nie, wann's genug ist, oder?«
Jacko drehte sich eine. Karyn bot an, ihm neuen Tee dazu zu machen. Mikey ergriff die Gelegenheit, auf die Toilette zu gehen. Er würde sich einschließen und abwarten, bis sich die Lage besserte. Er wollte nicht mit den beiden allein sein, wenn die sich so gruslig aufführten.
Er pinkelte und setzte sich auf die Klobrille, um nachzudenken. Wie war es soweit gekommen? Vorhin, als er sich von Ellie verabschiedet hatte, hatte er gedacht, nichts könnte seine Euphorie bremsen. Und jetzt war sie futsch.
Er rief sie von der Toilette an, aber ihr Handy war abgestellt, also sprach er auf die Mailbox. Ruf mich an, es ist dringend.
Seine Mum war da, als er rauskam, lehnte an der Schlafzimmertür und wartete auf ihn.
Sie sagte: »Holly schläft. Kommst du mit runter?«
»Ich geh schlafen.«
»Sollten wir das nicht klären?«
Sie war nicht mehr ganz so selbstsicher, der Wein machte sie schließlich doch beschwipst. Wenn er sie nur anstupste, würde sie ins Bett gehen und alles vergessen.
Er sagte: »Morgen ist auch noch ein Tag, hm?«
»Und was ist mit Gillian?«
»Die kannst du jetzt nicht anrufen, es ist zu spät.«
Seufzend zog sie ihre Zigaretten raus und bot ihm eine an. Er machte das obere Flurfenster auf, und sie stellten sich davor, schauten auf den Hof runter und bliesen Rauch in die Dunkelheit. Es hatte wieder zu regnen
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