Ich gegen Dich
angefangen, und draußen roch es frisch und kalt. Ein Baby schrie, ein Hund schnüffelte auf dem Rasen rum. Ein Typ, Hände in den Taschen, pfiff nach ihm, und sie gingen durch die Tür des Wohnblocks gegenüber.
In einer Minute wollte er es nochmal bei Ellie versuchen, und wenn ihr Handy noch abgestellt war, würde er eine Nachricht aufsprechen und sie um ein Treffen morgen bitten. Dann, am nächsten Morgen, würde der Alltag sie wieder im Griff haben – er würde aufstehen, Holly zur Schule bringen und zur Arbeit gehen. Mum würde ihren Rausch ausschlafen, Karyns Wut auf ihn wäre verraucht, und wenn er Ellie erklärte, was geschehen war, war sie bestimmt bereit, bei ihnen vorbeizukommen und sie kennenzulernen. Sie würden sie mögen. Sie würden zusammen Tee trinken und ihre nächsten Schritte überlegen.
Seine Mutter gähnte jetzt, lehnte sich erschöpft gegen den Fensterrahmen. Matt lächelte sie ihm zu. »Ich glaub, da hat dir endlich jemand das Herz gestohlen, was, Mikey?«
Er verdrehte die Augen. »Geh ins Bett, Mum.«
»Ich hab schon immer gesagt, du bist nicht der harte Kerl, für den du dich hältst.«
»Im Ernst, geh jetzt schlafen.«
Sie beugte sich vor und gab ihm einen Gutenachtkuss. »Morgen früh hat sich bestimmt alles geklärt, nicht wahr?«
»Bestimmt.«
»Da unten hab ich eine Tochter, die mich braucht, und dieses eine Mal will ich alles richtig machen.«
»Schlaf drüber. Wir reden morgen.«
Sie nickte und ging über den Flur. An ihrer Zimmertür angekommen, drehte sie sich um und sah ihn sehr ernst an. »Ich will eine gute Mutter sein.«
»Mach dir deswegen keinen Kopf.«
Sie lachte. »Mach ich aber, das ist ja das Problem.«
SIEBENUNDDREISSIG
M ikey hielt den Fisch am Kopf fest und schabte die Schuppen mit einer Löffelkante ab. »Vom Schwanz zu den Kiemen«, sagte Dex, »kurz und schnell schuppen und Vorsicht mit den Flossen – die sind scharf.«
Mikey hörte nur halb hin. Seine Aufmerksamkeit beanspruchte hauptsächlich sein Handy, das er sich auf Vibrationsalarm in die Jeanstasche gesteckt hatte. Seiner Mutter hatte er schon zehn Nachrichten hinterlassen, und sie hatte auf keine davon reagiert, Ellie mindestens zehn, und sie hatte ihn auch nicht zurückgerufen. Er wusste nicht, ob er erleichtert sein oder sich Sorgen machen sollte. Wenn man nichts von ihnen hörte, ging es ihnen ja gut, aber wenn Mum früh aufwachte und beschloss, Gillian anzurufen, konnte wer weiß was passieren, während er hier in der Arbeit festsaß.
Er wusch den Fisch unter dem Wasserhahn, ehe er ihn Dex reichte, der ihn mit dem Bauch nach oben auf das Schneidbrett legte und vom Schwanz bis zum Kopf mit dem Messer aufschnitt. Sogleich quollen Blut und Eingeweide hervor, während Dex den Fisch mit den Fingern spreizte und die Innereien herausholte. Sie waren wulstig und glänzten, als Dex sie in den offenen Abfalleimer warf, noch dazu seltsam pastellfarben – weiß, gelb und rosa, wie etwas Sommerliches. Dex wusch den Fisch wieder, fuhr mit dem Daumen die Innenseiten ab, um das Blut von Rippen und Rückgrat zu entfernen, und zupfte die letzten Schuppen ab.
»Den Kopf lassen wir dran«, sagte er. »Manche Fische schneidet man hinter den Kiemen ab, aber nicht diesen hier.«
Der Fisch blickte kalt zu ihnen hoch, während Dex erklärte, dass seine Augen rund und glänzend sein sollten, nicht ausgetrocknet oder eingefallen. Mikey erwartete fast, dass er blinzelte oder das Maul aufklappte und sich darüber beschwerte, dass sein ganzes Innenleben zu sehen war und er sich nirgends verstecken konnte. Dex klatschte ihn auf die Abtropffläche und zog den nächsten aus einem Eimer zu ihren Füßen.
»Die hier sind nicht für den Pub«, sagte er, »sondern für Sue und mich, später – eine kleine Opfergabe von dir, Mikey. Sag ihr, du wärst ganz von allein drauf gekommen und dass es dir leidtut.« Er zwinkerte Mikey zu, als er ihn ihm übergab. »Bitte sehr, immer schön dranbleiben.«
Mikey hielt ihn unten ins Spülbecken und schabte mit dem Löffel drauflos, während das Wasser seine Finger betäubte. Dex stand neben seiner Schulter und machte ihm Mut, erklärte, wie eine Messerspitze Thymian, ein Basilikumblatt, etwas Zitrone und Salz den Fisch in etwas Schmackhaftes verwandeln konnten. Dabei fiel Mikey wieder ein, wie er einmal in der Grundschule Kartoffeln geerntet hatte – seine Überraschung, dass Pommes aus dem Boden kamen und einmal mit Erde bedeckt gewesen waren. Und jetzt stand er so viele Jahre
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