Ich gegen Dich
werde jeder Tag so fröhlich wie dieser sein. Sie dachte, Mum werde sie retten.
Man konnte leicht daran glauben, während sie miteinander da saßen, ihren Tee schlürften und Toast dazu aßen. Seit Gillians Besuch am Montag hatte sich einiges bei ihnen gebessert. Mum war nüchtern geworden und hatte Holly von der Schule abgeholt, dann das Jugendamt angerufen und sich entschuldigt. Am Montagabend hatte sie sich mit allen dreien hingesetzt und ihnen versprochen, nie wieder einfach so zu verschwinden. »Ab jetzt wird alles anders«, hatte sie gesagt.
In den letzten vier Tagen hatte sie Frühjahrsputz in Flur, Wohnzimmer und Küche veranstaltet. Die ganze Wohnung sah schon größer und heller aus. Am Wochenende hatte sie vor, sich nach oben vorzuarbeiten. Mikey wusste, was dann passieren würde. Sie würde Müllsäcke mit alten Spielsachen und Kleidern füllen. Sie würde es bis zur Lächerlichkeit übertreiben und Sachen wegwerfen, die sie noch behalten wollten. Mikey hatte nicht vergessen, wie voriges Jahr seine Jeansjacke dran glauben musste und wie Holly stundenlang um ihre Fußballbildersammlung geweint hatte. Wenn Mum nächste Woche die Puste noch nicht ausgegangen sein sollte, würde sie sich eventuell das Lokalblatt holen und sich die Stellenanzeigen ansehen. Sie würde sie einkreisen, vielleicht ausschneiden und irgendwo stapeln. Und danach würde sie damit anfangen, dass sie sie alle nicht richtig zu schätzen wüssten und dass sie immer nur Pech im Leben hätte. Und sich eine kleine Belohnung genehmigen – vielleicht eine billige Flasche Rotwein von Ajay gegenüber. »Nur die eine«, würde sie sagen.
Und schon drehte sich das Karussell wieder. Es war alles so vorhersehbar.
»Okay, Mum«, sagte Mikey, »ein kleiner Test, bevor ich gehe.
Montagmorgen. Klingeling, die Sozialarbeiterin vom Jugendamt ist wieder da, lächel lächel, total hilfsbereit. Du hast seit Tagen geputzt, und da kommt sie nun rein, schwer beeindruckt. Erste Frage: Warum hat Holly in der Schule gefehlt?«
»Das wird sie mich nicht fragen.«
»Vielleicht doch. Was sagst du dann?«
»Ich sag, dass sie krank war.«
»Was hatte sie?«
»Sie hatte Kopfschmerzen.«
»Kinder kriegen keine Kopfschmerzen.«
Mum stellte den Aschenbecher einen Zentimeter nach links, richtete das Feuerzeug an der Tischkante aus, so dass ein Muster entstand. »Schon gut, ich werd damit fertig. Ich hab dir doch gesagt, ab jetzt wird alles anders.«
»Sag ihnen, sie hatte Fieber und Husten oder dass sie eine Magen-Darm-Grippe hatte. Keine Kopfschmerzen. Und du darfst nicht vor ihr rauchen.«
Er wusste, wie wichtig seiner Mum ihre Kippen waren, weil sie sie beruhigten. Er wusste, dass das nicht nett von ihm war.
»Hör auf, dir Sorgen zu machen«, sagte sie. »Es ist nur ein Besuch, um uns zu helfen, nichts weiter. Ich setz mich ans Fenster. Ich werd ihr sagen, dass ich es nie in Hollys Anwesenheit mache.«
»Zeig ihr den Rauchmelder«, sagte Holly und zeigte mit ihrer Filzstiftspitze zur Decke.
Mikey folgte ihrem Blick. Seit Tagen nüchtern und eine saubere Wohnung waren eine Sache, aber ein vollständig installierter und funktionierender Rauchmelder war eindeutig was Neues.
Mum grinste ihm zu. »Jetzt biste beeindruckt, was?«
Unwillkürlich erwiderte er ihr Grinsen.
Sie schaute zur Uhr. »Zieh Leine und amüsier dich, Mikey. Mach schon, du hast hier genug getan.«
Er checkte sein Handy. Keine neuen Nachrichten, aber das war schon okay. Sie hatten alles abgesprochen. Halb drei bei Ellie zu Hause. Gleich würde er gehen.
»Wie findet ihr mein Bild?«, fragte Holly.
Sie hielt es hoch, damit alle es sehen konnten. Es war Karyn, draußen, mit wehenden Haaren im Wind. In der einen Hand hielt sie ein Stück Schnur mit einem Drachen am Ende und in der anderen ein Flammenschwert.
»Schönes Bild«, sagte Karyn.
Holly lächelte, riss das Blatt vorsichtig von ihrem Block und legte es auf den Tisch. »Als Nächstes mal ich dich in der Schule.«
»Lass mich den Drachen behalten«, lachte Karyn. »Den werd ich brauchen, wenn du mich dorthin zurückschickst.«
Mikey brachte die Teller in die Küche und sah kurz in den Kühlschrank, wo er schon mal da war. Der war voll – Saft und Joghurt, Käse und Milch, alles Mögliche. Mum hatte sogar eine Packung Bacon und ein paar Würstchen eingekauft.
Als er die Teller gespült hatte, saßen alle drei aneinandergekuschelt auf dem Sofa und sahen sich die Wiederholung einer Dokushow an – irgendein Bergsteiger
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