Ich gegen Dich
Sag ihr, ich komm sie bald besuchen. Und dass sie mir fehlt.«
Er nickte, beugte sich runter und gab ihr einen flüchtigen Kuss auf den Scheitel. »Dann lern schön.«
Wärme durchströmte sie. Das hatte er schon ewig nicht mehr gemacht.
Und nun folgte das Ritual des Sachensuchens. Mum durchwühlte ihre Handtasche nach den Autoschlüsseln, die sie schließlich in ihrer Manteltasche fand. Dad beobachtete sie zerstreut, ehe er die eigenen Taschen nach den Schlüsseln abklopfte, die sie bereits gefunden hatte. Er förderte seine Brieftasche zutage, stellte sein Handy an und merkte dann, dass er keinen blassen Schimmer hatte, wo seine Brille war. Mittlerweile war Mum der festen Überzeugung, sie hätte ihr Portemonnaie verloren, und musste ihre gesamte Handtasche erneut durchwühlen.
Wie zerbrechlich sie einem vorkamen. Wie alt und grau sie eines Tages sein würden. Ich kann mit euch mitkommen, wollte Ellie sagen. Dann pass ich auf euch auf. Lasst mich hinten auf der Rückbank sitzen, und wir singen Lieder. Wenn wir im Altersheim ankommen, bietet Gran uns Pfefferminzbonbons an, und wir schieben sie eine Runde im Rollstuhl spazieren.
Aber sie wusste ja doch, wie so ein Tag tatsächlich ablief, und das wäre für sie keine Lösung. Blieb sie zu Hause, würde zumindest nichts so wie vorher sein, wenn ihre Eltern wiederkamen.
EINUNDZWANZIG
A ls Mikey ins Wohnzimmer kam, stellte seine Mum den Staubsauger aus, um ihn zu bewundern. Holly und Karyn schauten von ihrem Leiterspiel auf und pfiffen alle beide anerkennend.
Er lachte. Er trug sein neues T-Shirt und seine Lieblingsjeans, hatte sich rasiert, geduscht und sogar mit Mundwasser gegurgelt. Er wusste, dass er gut aussah. Zum Beweis stolzierte er einmal à la Männermodel quer durchs Zimmer.
»Jetzt sieh sich einer meinen Sohn an«, sagte seine Mum. »Was für'n gutaussehender Bursche der ist.«
»Wer ist heute die Glückliche?«, fragte Karyn, während sie die Würfel schüttelte und auf den Tisch warf. »Denn so hast du dich ja fast noch nie ins Zeug gelegt.«
Sie schenkte ihm das freche schiefe Grinsen, das er schon fast vergessen hatte, was ihm ein bisschen Gewissensbisse machte. Aber er konnte ihr unmöglich von Ellie erzählen, nicht bevor er sich alle Informationen besorgt hatte, die er brauchte. Das würde sie nie verstehen.
Holly griff nach seiner Hand und schmiegte ihre in seine. »Wo gehst du mit ihr hin?«
»Weiß noch nicht. Irgendwohin.«
Er setzte sich an den Tisch und sah ihrem Spiel zu. Karyn ließ ihre Spielfigur nach oben und nach unten fallen, um Holly gewinnen zu lassen. Sie zwinkerte ihm zu, als sie begriff, dass er es gemerkt hatte.
Mum schaltete den Staubsauger wieder ein, und sie zogen die Knie an, damit sie unter ihren Füßen saugen konnte. Mikey fühlte sich wieder wie ein kleines Kind.
»Ich werd ein paar neue Kissen kaufen«, übertönte Mum den Staubsauger. »Auf dem Markt gibt's nette mit Stickerei. Neue Kissen würden sich hier drin hübsch machen, meint ihr nicht? Und vielleicht 'nen Teppich.«
Mikey nickte zustimmend, ehe er auf die Uhr sah. Noch zwanzig Minuten. Er klopfte seine Hosentasche nach den Autoschlüsseln ab. Er kam sich mies vor, dass er Jacko angelogen hatte, aber der hätte ihm sonst nie das Auto geliehen und zugestimmt, die Golfclub-Aufmischaktion ein zweites Mal zu verschieben.
»Auf bestimmte Dinge achten sie«, sagte Mum, während sie den Staubsauger ausstellte und das Stromkabel einrollte. »Sie wollen Sauberkeit, aber sie achten auch auf Gerüche. Ich hab den ganzen Vormittag gelüftet, und ich hab mir so einen Luft-erfrischer für die Steckdose geholt.«
Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah zufrieden mit sich aus.
»Hier drin war's um die null Grad mit den offenen Fenstern, und sie hat mich die nicht zumachen lassen«, sagte Karyn mit belustigtem Blick.
Mum lächelte ihr zu. »Du frierst, weil du zu wenig isst, und das kommt jetzt als Nächstes – Toast.«
Karyn räumte das Spiel weg, und holte Holly stattdessen Papier und Stifte. Mum machte vier Tassen Tee und bestrich ein paar Toastscheiben mit Butter, schmierte sogar noch Marmelade darauf und viertelte sie. Karyns Teller stellte sie behutsam vor sie auf den Tisch.
»Ich hab dich schon seit Ewigkeiten nichts mehr essen sehen«, sagte sie.
Mit zufriedenem Seufzen nahm sich Karyn ein Toastviertel. So einfach war das.
Sie sah glücklicher aus, als Mikey sie seit Tagen gesehen hatte. Er wusste, warum. Sie stellte sich vor, von nun an
Weitere Kostenlose Bücher