Ich gegen Osborne
Freundin?«
»Nein.«
»Hatten Sie jemals eine Freundin?«
»Nein. Ich hatte ein paar Dates, aber Freundinnen würde ich das nicht nennen.«
»Aber sehen Sie, ich hatte nicht einmal das. Ich hatte während meiner ganzen Zeit auf der Highschool kein Date. Kein einziges.« Er hatte die Brille abgenommen und wirkte nicht mehr wie eine Fledermaus. Jetzt hatte ich nur noch ein verletztes Vogelküken vor mir.
»Es tut mir leid, das zu hören.«
»War kein einziges Mal tanzen.«
»Ich auch nicht.«
»Und auf dem College war es nicht viel besser.«
»Wirklich?«
[181] »Nicht für mich. Für die meisten Leute schon. Keine Sorge. Ihnen wird es da gefallen.«
»Das bezweifle ich.«
»Nein. Sie werden prima zurechtkommen. Sie sehen viel besser aus als ich damals.«
»Ich bin hässlich.«
»Sind Sie nicht.«
»Danke.«
»Aber das mit diesem Mädchen… Man glaubt, dass man dem entwächst, aber man wird seine Jugend nicht los. Sie ist immer irgendwo da drin.« Er zeigte auf seinen Kopf. »Und ich glaube, genau darum ging es bei dem Mädchen. Klar habe ich irgendwann geheiratet, aber wissen Sie was… Es war, als müsste ich etwas seelisch verarbeiten. Ich hatte das Gefühl, etwas verpasst zu haben, verstehen Sie?«
»Ich… Mir fehlen die Worte.«
»Ich musste einfach ständig an sie denken. Jeder Gedanke galt ihr. Es fühlte sich an wie eine Geisteskrankheit. Alles löste sich einfach auf. Sie sorgte dafür, dass ich alles an mir neu bewertete. Sie verwandelte mich in ein Tier. Natürlich behandelte ich sie schließlich wie eins, doch ich konnte nicht anders – oh, dass ich das erzähle… Ich bereue es bereits. Normalerweise bereut man etwas, nachdem man es getan hat, doch ich bereue jedes einzelne Wort, schon während ich es ausspreche. Selbst jetzt in diesem Augenblick. Aber Sie müssen verstehen, niemand hat in siebzehn Jahren je ein Wort zu mir darüber verloren. Ich habe in siebzehn Jahren nie ein Wort darüber verloren.« Mir fiel nichts anderes ein, als zu nicken. »Und auch dieses ganze Gespräch müssen Sie geheim halten.«
[182] »Das werde ich auch. Sie können mir vertrauen. Ich rede generell kaum mit Leuten. Und ich kenne nur zwei andere Menschen, die davon wissen. Ich darf nicht verraten, wer die beiden sind, aber Sie können uns allen vertrauen.«
Er setzte seine Brille wieder auf, fuhr sich dann wieder rhythmisch durch die Haare, und dann schob er seine Tastatur sorgfältig genau mittig vor den Computer.
»Was kann ich für Sie tun?« So, wie er das fragte, kam mir der Gedanke, dass er vergessen hatte, warum ich hier war, oder sogar, wo er war, als wäre ich ein Kunde, der soeben Shanklys Laden betreten hatte.
»Äh… Sie müssen gar nichts für mich tun.«
»Doch, das muss ich. Das darf nicht publik werden. Es darf nicht, darf nicht, darf nicht. Sie müssen wissen, dass ich nächstes Jahr pensioniert werde. Dann ziehen meine Frau und ich nach Kalifornien, um näher bei unseren Enkeln zu sein. Ich war so kurz davor. Bis Sie hier reinkamen, hatte ich es geschafft. Was kann ich für Sie tun, damit Sie das für sich behalten?«
»Nun ja…« Angesichts dieser seltenen Gelegenheit durchstöberte ich meine Gedanken. Könnte ich ihn bitten, den Schultag um zehn beginnen zu lassen? Könnte er versprechen, einen Kurs mit dem Thema »Gesunder Menschenverstand und Benehmen« anzubieten? Hamilton Sweeney dauerhaft vom Unterricht zu suspendieren?
»Alles. Alles, was in meiner Macht steht. Sagen Sie’s einfach. Ich will es. Ich will das für Sie machen.«
In diesem Augenblick fiel mir die perfekte Forderung ein. Wie so viele meiner Ideen war auch diese halb ernst, halb scherzhaft gemeint. Es war eine gewaltige, anarchische [183] Forderung, der man wohl kaum nachkommen würde, doch es war einen Versuch wert.
»Der Abschlussball steht vor der Tür«, sagte ich.
»Ja. Soll ich Sie zum Ballkönig machen? Kein Problem.«
»Gott, nein«, sagte ich lachend. »Sie sollen ihn absagen.«
10 . 58 Natürlich hatte ich angenommen, dass er diese Forderung umgehend ablehnen würde. Stattdessen lehnte er sich zurück und rieb sich geistesabwesend sein knochiges Gesicht, dachte vielleicht an seinen eigenen Ballabend, an dem er sich allein in seinem Schlafzimmer streichelte, während bittere Tränen auf sein Federbett fielen, und ich erkannte, so unwahrscheinlich es sein mochte, dass mein halb scherzhafter Vorschlag allmählich in den Bereich des Möglichen rückte.
»Sie wollen, dass ich den Ball
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