Ich glaub, mich tritt ein Kind: Bekenntnisse einer Schwangeren und schonungslose Wahrheiten einer dreifachen Mutter (German Edition)
bereits funktionierenden Milchzapfhahn namens Brustwarze erkennen können. Zum Frauenarzt werden sie auch wie selbstverständlich mitgezerrt, allein dieser Hard-Core-Gynäkologenstuhl führt ja im männlichen Gehirn wahrscheinlich schon zu einer bizarren Reaktion, die nach der Delete-Taste schreit. Besonders taktvoll dann, den Mann bereits zur Sonografie in der zehnten Schwangerschaftswoche mitzunehmen, wo das Ultraschallgerät noch aussieht wie ein Riesendildo. Wer da keinen Schnaps dabei hat … und wer hat das schon?
Zum Showdown kommt es dann im Geburtsvorbereitungskurs, wenn es um Dammmassagen geht, die »auch der Mann auf erotische Weise an der Vagina der Partnerin durchführen kann«. Fehlt nur noch, dass uns die Sitznachbarin auf ihrer Isomatte ihr angebrochenes Dammmassage-Öl-Fläschchen zum Üben mit nach Hause gibt! Da sitzt er dann, unser Mann, und soll der Frau die Barriere zwischen Po und Scheide massieren, damit die bei der Geburt nicht blutend zerfleddert! Der Arme! Statt Dämme zu massieren, würde er sicherlich lieber welche bauen – und zwar zwischen sich und dieser merkwürdigen Welt der Schwangerschaft. Oder? Ist es die Bewegung der Gleichberechtigung, die Männer freiwillig an all diesen Dingen teilhaben lässt? Oder ist es gar kulturwissenschaftlich bedingt?
Übermittelt ist jedenfalls das Phänomen der »Couvade«. Dieses aus dem Französischen stammende Wort beschreibt das Männerkindbett, »eine im nördlichen und mittleren Südamerika, in Ozeanien, Südostasien, Südindien und Südwesteuropa vorkommende Sitte, bei der der Ehemann bei der Geburt seines Kindes entweder das Verhalten der Gebärenden/Wöchnerin zur Schau trägt oder sich magischen und rituellen Vorschriften im Interesse des Kindes unterwirft, während die Frau meist gleich nach der Geburt ihren alltäglichen Verrichtungen nachgeht« (Gisela Völger in: ›Sie und Er: Frauenmacht und Männerherrschaft im Kulturvergleich‹). Oft bleiben die Männer dabei wochenlang im Bett liegen und empfangen die Glückwünsche zur Geburt. Damit versuchen sie, nachzuvollziehen, was ihnen die Natur versagt – das Wochenbett.
Leiden unsere Männer heutzutage also bewusst mit, um den Schmerz der Geburt zu teilen, dem Ereignis der Schöpfung so nah wie möglich zu kommen, um ihre Macht zu stärken, wenn sie schon selbst nicht gebären können?
Die Kulturwissenschaft geht mit ihrer Forschung nach dem männlichen Gebärneid genau dieser Vermutung auf den Grund. »Kaum etwas anderes prägt die Geschlechterbeziehungen nachhaltiger als die kulturelle Nachahmung des natürlichen Geburtsvorgangs durch Männer«, schreibt Gisela Völger. Und weiter: »Männer scheinen nahezu universell das Kind, das die Frau zur Welt bringt, als unvollständig anzusehen. Erst wenn sie es nachgeburtlich behandeln, etwa durch Beschneidung, Taufe, […], wird das unfertige Wesen durch die sogenannte soziale Geburt durch Männer vollendet und ein vollgültiger Mensch.«
Soziale Geburt? Klar, die Männer stellten über die Jahrhunderte fest, dass sie eigentlich nicht mehr können als die Frauen. Dass diese sogar noch den exklusiven Trumpf der Geburt aus der Tasche ziehen konnten. Dadurch sahen sie ihre Herrschaft in Gefahr und begannen, Frauen zur Unterwerfung zu zwingen. Durch Mythen, Riten, Aberglaube.
Und schauen wir mal in unsere Geschichte, immer wieder finden sich da männliche Geburten. So entstand Eva bereits aus der Rippe von Adam. Auch Athene hatte einen Mann zur Mutter – siewurde aus dem Kopf des Zeus geboren. Und scheinbar reicht der männliche Geburtsgedanke bis in die Jetztzeit hinein.
Erinner dich mal an das Klon-Schaf Dolly. Dolly war das erste Säugetier weltweit, das erfolgreich geklont werden konnte. Und von wem wurde es erschaffen? Von einem Mann! Dollys »geistiger Vater« (Wikipedia) war der Zellbiologe Keith Campbell. Auch Dollys Mutter war also ein Mann.
Ist es also einzig unsere weibliche, kulturhistorische Rache für den historischen Zwang zur Unterwerfung, dass wir unsere Männer mit in den Kreißsaal zerren, um sie an unseren Qualen teilhaben zu lassen? Eine feine theoretische These, wobei es in der Praxis wahrscheinlich viel simpler ist: Wir möchten einfach jemanden haben, der uns am Ende sagt, dass wir gut waren. Das müssen wir ihm schließlich auch oft genug bestätigen.
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Anderswo ist’s anders
»Bei den mexikanischen Huichol-Indianern nimmt der Vater auf dem Dach der Geburtshütte Platz, um seine Hoden eine Schnur
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