Ich hab dich im Gefühl
anscheinend nicht hin.«
»Die Oper.« Dad schneidet ein komisches Gesicht, und ich muss lachen. »Opern gehören nicht zu meiner Erziehung«, sagt er, öffnet den Umschlag aber trotzdem, während ich aufstehe, um mir noch einen Kaffee zu machen.
»Oh, ich glaube, bei der Oper muss ich passen, Liebes. Aber trotzdem vielen Dank.«
Ich fahre herum. »Warum denn, Dad? Das Ballett hat dir doch gefallen, und damit hast du auch nicht gerechnet.«
»Ja, aber da bin ich mit dir hingegangen. Und alleine mag ich nicht in der Oper sitzen.«
»Das brauchst du auch nicht. Es sind doch zwei Tickets.«
»Da drin ist aber nur eines.«
»Nein, es sind zwei.«
Dad schüttelt den Umschlag, die Öffnung nach unten, und ein loser Zettel flattert auf den Tisch.
Mein Herz setzt einen Schlag aus.
Dad setzt seine Brille auf die Nasenspitze und schielt auf das Papier. »Begleitest du mich?«, liest er langsam. »Ach, Liebes, das ist wirklich nett von dir …«
»Zeig her!«, rufe ich und reiße ihm den Zettel aus der Hand. Ungläubig lese ich, was da steht. Dann noch einmal. Und noch einmal und noch einmal.
Begleitest du mich? Justin
Sechsunddreißig
»Er will mich treffen«, erzähle ich Kate nervös und zwirble einen Faden vom Saum meines Tops um den Finger.
»Du schnürst dir noch die ganze Durchblutung ab, sei bloß vorsichtig«, warnt Kate mich, ganz mütterliche Fürsorge.
»Kate! Hast du mich nicht gehört? Ich hab gesagt, er will mich treffen!«
»Das ist auch gut so. Hast du etwa nicht damit gerechnet, dass das irgendwann passiert? Wirklich, Joyce, du lässt den armen Mann jetzt schon seit Wochen zappeln. Wenn er dir das Leben gerettet hat, wie du immer behauptest, ist es ja wohl naheliegend, dass er dich kennenlernen möchte. Um seinem männlichen Ego zu schmeicheln. Komm schon, das ist fast so gut wie ein weißes Pferd und eine glänzende Ritterrüstung.«
»Nein, überhaupt nicht.«
»In männlichen Augen schon. In wandernden männlichen Augen, genau genommen«, fügt sie hinzu.
Ich mustere sie. »Ist alles okay bei dir? Du hörst dich ja schon an wie Frankie.«
»Hör auf, auf deiner Lippe rumzukauen, sie fängt schon an zu bluten. Ja, alles bestens, geradezu wunderbar.«
»Hallo, hier bin ich!«, unterbricht uns Frankie, die gerade zur Tür hereingeschneit ist und sich nun neben uns auf einem Zuschauerplatz niederlässt.
Wir sitzen im terrassenförmigen Zuschauerbereich des Schwimmbads, das Kate mit ihren Sprösslingen regelmäßig frequentiert. Unter uns plantschen Eric und Jayda geräuschvoll mit den übrigen Teilnehmern des Schwimmkurses. Neben uns fläzt sich Sam in seinem Buggy und sieht sich interessiert um.
»Macht er eigentlich überhaupt irgendwann mal was?«, fragt Frankie und schaut den Kleinen argwöhnisch an.
Kate ignoriert ihre Bemerkung.
»Tagesordnungspunkt eins: Diskussion darüber, warum wir uns ständig an Orten treffen müssen, wo all diese
Dinger
rumwuseln.« Sie schaut auf das Kleinkindgewimmel. »Was ist mit den ganzen coolen Bars, den schicken neuen Restaurants, den Ladeneröffnungspartys passiert? Erinnert ihr euch vielleicht noch dunkel daran, dass wir früher manchmal Spaß hatten?«
»Ich hab jede Menge beschissenen Spaß«, erwidert Kate ein bisschen zu defensiv. »Ich bestehe praktisch nur noch aus beschissenem Spaß«, wiederholt sie, schaut dann aber schnell weg.
Anscheinend hört Frankie den seltsamen Unterton in Kates Stimme nicht, vielleicht hört sie ihn auch, beschließt aber, nicht darauf einzugehen. »Ja, bei Partys mit anderen Paaren, die auch seit einem Monat nicht mehr richtig ausgegangen sind. Für mich ist das nicht das, was ich mir unter Spaß vorstelle.«
»Du wirst es verstehen, wenn du erst mal Kinder hast.«
»Ich hab nicht vor, Kinder zu kriegen. Ist alles okay bei dir?«
»Ja, bei Kate ist alles bestens und wunderbar«, mische ich mich ein und deute mit den Fingern die Anführungszeichen an meinem Zitat an.
»Aha, verstehe«, sagt Frankie gedehnt und formt mit den Lippen lautlos den Namen »Christian« in meine Richtung.
Ich zucke die Achseln.
»Gibt es irgendwas, worüber du reden möchtest, Kate?«, fragt Frankie.
»Eigentlich ja«, antwortet sie und wendet sich ihr mit wütend glitzernden Augen zu. »Ich hab nämlich deine dauernden Sticheleien über mein Leben gründlich satt. Wenn du hier oder in meiner Gesellschaft nicht glücklich bist, dann verpiss dich doch einfach und geh woanders hin. Jedenfalls kannst du fest damit rechnen,
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