Ich habe abgeschworen
hübsch gekleidet zu sein, um zumindest in der Schule, in deren Mauern wir den Tschador ablegen durften, auszusehen, wie ich es wollte. Stolz zeigte ich mich dort in Rock und Bluse aus der Hauptstadt.
Lustgefühle und unterdrückte Sexualität
Eines Tages hatte ich beim Aufwachen Blut in der Schlafanzughose. Erschrocken zog ich sie aus, holte einen Eimer Wasser vom Hof und wusch sie heimlich aus. Doch bald merkte ich, dass ich weiterblutete, lief in die Küche zu meiner Mutter und zeigte auf meinen Unterleib, wo das Blut schon durch die Hose zu sehen war. Meine Mutter kreischte auf, mein Bruder war im Zimmer, und sie schimpfte: »Wie kannst du dich so deinem Bruder zeigen!« Ich fühlte einen Kloß im Hals und hielt mir die Hände vor den Leib. »Was soll ich tun?«, fragte ich leise. »Geh zu deiner älteren Schwester«, antwortete meine Mutter. Diese zeigte mir, wie man mit Stofffetzen das Blut auffing, und erklärte, dass ich nun jeden Monat bluten würde. Sie führte mich nach meiner ersten Menstruation auch zum rituellen Baden, denn in der Vorstellung islamischer Männer ist eine menstruierende Frau unrein und muss sich folgerichtig nach den Tagen gründlich baden – vor allem, bevor sie wieder mit ihrem Ehemann verkehrt. Es war ein seltsames Gefühl, denn nun war ich eine Frau. Ab nun, auch diese Botschaft war mir schon tief eingepflanzt worden, würde mein Anblick die Männer in Versuchung führen. Es ist schwer zu beschreiben, wie dieses Gefühl ein Mädchen beeinflusst. Im tiefsten Wesen unrein zu sein, eine Gefahr für die Gemeinschaft, aber sein Wesen nicht ändern zu können, das ist schwer zu begreifen. Es bürdet einem eine Schuld auf, die sich bedrohlich und schwer anfühlt. Eine tiefe Angst begleitet das Mädchen von diesem Tag an sein ganzes Leben, die Angst, dieses satanisch verführerische sexuelle Wesen in sich nicht bändigen zu können. Selbst ich, die ich mich aus diesen Vorstellungen des Islam und der unterdrückten Sexualität der Frau intellektuell ganz gelöst habe, habe einen Rest dieser Angst noch immer tief in mir sitzen. Ganz frei werde ich nie werden. Auch daran denke ich, wenn ich heute Mädchen in Deutschland mit Kopftuch sehe. Natürlich lachen diese Mädchen, freuen sich an Spielen, Filmen, mögen ihre Freundinnen, den Schulunterricht. Ihre Lebensfreude bricht sich Bahn, dennoch ist ihnen die Suche nach einem selbstbestimmten Leben nicht gestattet. Darüber reden sie nicht, damit bleibt jede für sich allein.
In der Vorstellung des Islam genügt allein der Anblick eines unverhüllten Frauenkopfes, um in Männern für sie unkontrollierbare Triebe auszulösen, die Frau an sich ist die Verführerin. Eine Frau, die nicht als Jungfrau in die Ehe geht, bedroht die Ehre der ganzen Familie, waren doch ihre Brüder und ihr Vater nicht in der Lage, sie zu kontrollieren. Durch den islamischen Ehevertrag erhält der Mann das Recht auf die »sexuelle Nutzung« seiner Frau. Manchmal hört man, der Islam sei im Gegensatz zum Christentum eine sexualitätsfreundliche Religion. Zwar wird der Sexualität im Koran viel Raum gegeben, aber immer nur im Hinblick auf die Befriedigung des Mannes. Selbst im Paradies locken die Jungfrauen, wie in Sure 44, Vers 52 bis 56: »Die Gottesfürchtigen aber kommen an einen sicheren Ort, in Gärten mit Wasserquellen, und sie werden sich, gekleidet in Seide und Samt, einander gegenübersitzen. So soll es sein, und wir werden sie mit schönen Jungfrauen vermählen, jede Huri mit großen schwarzen Augen. Dort können sie mit Gewissheit alle Arten von Früchten fordern.« Dies ist nur eine Sure von vielen, die die fleischlichen Genüsse beschreiben, die auf die Männer im Paradies warten. Bekanntlich kann auch eine Frau das Paradies erreichen – wenn ihr Ehemann mit ihr zufrieden war. Nur fragt man sich, was sie dort soll, auf sie warten keine Männer, um sie zu verwöhnen, während ihr Mann fleischlichen Gelüsten mit unzähligen Jungfrauen frönt!
Sinnlichkeit auf Erden gibt es manchmal für Frauen, die ein öffentliches Bad besuchen können: Hier können sie alle Varianten von Sinnlichkeit und Zärtlichkeit erleben, und es gibt lesbische sexuelle Begegnungen, die sich im Bad anbahnen. Da Frauen eine eigene Sinnlichkeit ohne Bezug zum Mann nicht zugestanden wird, ist das Bad – wie der Harem – ein Freiraum, in dem manche Frauen ihre Körper lustvoll erleben können. Heimlich und natürlich nicht als weibliche Sinnlichkeit und Sexualität anerkannt. Es ist auch
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