Ich habe abgeschworen
bei mir« – und das tat er schließlich auch.
Wir haben also geheiratet. Ich wollte keinen Mullah dabei haben und keine religiöse Hochzeit. Meine Mutter wollte aber genau das. Schließlich wurde es eine »etwas religiöse« Zeremonie, zwar mit Mullah, aber nur im kleinen Kreis der Familie. Ich habe auf das Brautgeld verzichtet, denn ich wollte nicht, dass mein Mann mich kauft. Als frisch vermähltes Ehepaar sind wir zurück nach Tabriz gefahren und haben in der Wohnung meines Mannes gelebt. Seine zwei jüngeren Brüder und seine jüngere Schwester wohnten bei uns, für sie sorgte Esmail seit dem Tod seiner Eltern. Seine beiden jüngeren Brüder waren Anhänger der Volksmudschaheddin und sind in den 80er-Jahren hingerichtet worden. Wenn Besuch aus seiner Familie zu uns kam, habe ich immer den Tschador getragen, in dieser Hinsicht war seine Familie wesentlich konservativer als meine.
Ich habe Esmail geliebt, aber seine traditionellen Ansichten ließen uns manchmal streiten. Ich weiß nicht, ob das bei einer längeren Ehe zu einem ernsthaften Problem zwischen uns geworden wäre. Einmal hat er mich in einem Bus »verteidigt«, als mir jemand von hinten in den Po gekniffen hatte. Dabei war ich schon selbst dabei, den Übeltäter wortstark zusammenzustauchen. Doch Esmail sah es als seine Sache an, mich zu verteidigen, er drängte sich förmlich zwischen mich und meinen Kontrahenten. Das war liebevoll gemeint, aber er begriff nicht, dass ich das traditionelle Bild dahinter ablehnte: In der Öffentlichkeit wurde die Frau von ihrem Mann beschützt und zu Hause musste sie ihm gehorchen.
Eines Abends saßen wir gemütlich beisammen, hatten bei Kerzenschein gegessen, und Esmail erzählte mir, dass er mit einer jungen Frau, die in derselben Straße wohnte, eine freundschaftliche Beziehung gehabt hatte. Ich hatte damit kein Problem, denn es war ja vor meiner Zeit gewesen. Ich erzählte ihm dann von meinem Englischlehrer, meiner ersten, heimlichen Liebe. Einmal hatte ich ihn unter dem Vorwand, Bücher ausleihen zu wollen, alleine besucht und war mir mit meinen 13 Jahren sehr verrucht vorgekommen. Das war auch schon alles gewesen. Trotzdem endete der Abend in einem ganz schlimmen Streit. Mein Mann fand, dass schon verliebte Gedanken an einen anderen Mann, lange bevor ich ihn kennengelernt hatte, etwas Schmutziges seien für mich als Frau. Er wurde fürchterlich eifersüchtig und brüllte mich an, das wäre nicht anständig von mir gewesen. Ich war zutiefst verletzt und gab es auf, mich verständlich zu machen.
Später am Abend rief meine Mutter an. Nachdem wir ein paar Minuten geredet hatten, fragte sie, weshalb ich so traurig klänge, und ich sagte, Esmail und ich hätten uns gestritten. Als sie fragte worüber, konnte ich nur sagen: »Über Kleinigkeiten«. Was zwischen Eheleuten passiert, bleibt zwischen Eheleuten, auch dieses konservative, zutiefst islamische Denken hatte ich noch nicht abgestreift. Ein Jahr haben wir zusammengelebt, bevor Esmail 1980 ermordet wurde, an unserem ersten Hochzeitstag.
Revolution und religiöser Terror
Mein Studium litt zunehmend unter meinen politischen Aktivitäten. Ich war schon längst nicht mehr die Beste, die Arbeit in der Fabrik kostete ihren Preis. Ich war nach einer Schicht am Fließband einfach zu müde, um noch zu lernen. Bis heute habe ich manchmal den Albtraum, dass ich zu einer Prüfung muss, für die ich nicht gelernt habe. Es war eine Zeit des Aufruhrs und der inneren Unruhe im ganzen Land. Das Schah-Regime geriet unter Druck, und Ende 1978 gab es die erste große Demonstration in Tabriz gegen den Schah. Diese Massenproteste wendeten sich gegen die Wohnungspolitik des Schahs, der ganze Viertel von wild entstandenen Armutssiedlungen an den Rändern der Großstädte mit schwerem Gefährt niederwalzen ließ. Rund um Tabriz waren illegal errichtete Siedlungen entstanden, ohne Wasser und Strom, denn die Menschen kamen Mitte der 70er-Jahre in Massen vom Land in die Städte, auf der Suche nach Arbeit. Abrisswagen kamen nachts und walzten die Hütten nieder. Die Menschen waren empört, ihr Protest hatte nicht primär religiöse Ursachen und noch war Khomeini nicht der neue Führer. In Teheran wurden am 8. November 1978 rund 4000 Schah-Gegner bei einer Demonstration erschossen, darunter waren auch mehrere Hundert Frauen.
Gefördert wurde Khomeini in dieser Zeit durch den Westen, wo man auf der Suche nach einem neuen Ansprechpartner für die Zeit nach dem Schah war. Man suchte
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