Ich habe abgeschworen
jemanden, mit dem es möglich wäre, weiter eine verlässliche Politik und Öllieferungen zu bekommen. Zudem sahen die USA in Khomeini einen geeigneten Kandidaten, die linke Opposition niederzuschlagen – man befand sich noch mitten im sogenannten Kalten Krieg mit der Sowjetunion und ihren Verbündeten.
Was die Volksmudschaheddin und Khomeini und die Linke bis hin zu den Kommunisten vereint hat, war der Antiimperialismus, die Überzeugung, dass Fremde sich nicht in unsere, die iranische Politik einmischen sollten. Khomeini war ein charismatischer Führer, der die Gunst der Stunde geschickt für sich zu nutzen verstand. Er war 1963 mit öffentlichen Reden gegen den Schah aufgetreten, damals in einer Koranschule in Ghom. Er wurde verhaftet, freigelassen und nach einer erneuten Rede, in der er den Schah und seine Bindung an die USA kritisierte, wieder verhaftet. Seine Worte, unter dem Schah lebten die Menschen im Iran schlechter als Hunde, brachten damals große Menschenmengen zu Demonstrationen zusammen, die das Regime blutig niederschlug. 1978 war die säkulare Opposition zunächst mindestens genauso an den Demonstrationen gegen das Regime beteiligt wie die islamischen Kräfte. Doch dann wurde ausgerechnet in Ghom eine Demonstration mit Khomeini-Anhängern niedergeschossen. Dadurch bekamen die Religiösen den Nimbus der alleinig Verfolgten und gewannen die Oberhand – sie riefen nach Khomeini, der sich inzwischen ins Exil nach Paris begeben hatte.
Als die Demonstrationen in Tabriz zunahmen und größer wurden, war ich begeistert, die allgemeine Aufbruchsstimmung riss mich mit. Ich habe nicht viel darüber nachgedacht, was nach dem Schah kommen würde, sondern einfach die Aufregung und den Umbruch genossen, trotz der Gefahr. Denn die Polizei schoss mit scharfer Munition auf Demonstranten, es gab immer wieder Verletzte und Tote. Eine Demonstration, die sich als Gedenkmarsch für die Toten von Ghom begriff, wurde besonders brutal niedergeschossen, es gab Dutzende tote Zivilisten. Nun hörte auch ich immer mehr die Rufe »Es lebe Khomeini«. Ich dachte zuerst, das kann nicht sein, wir wollen eine Revolution, aber keinen Khomeini! Immer noch wollte ich nicht glauben, dass nach der Revolution die Religiösen die Macht erlangen könnten.
Doch die Linke wurde überrollt. Wir saßen zusammen und diskutierten stundenlang, wir demonstrierten und hielten Reden. Die Amerikaner sollten vertrieben werden, iranische Fabriken sollten den Iranern gehören. Die Fedayi sahen sich als Motor für die linke Revolution und verübten vermehrt bewaffnete Anschläge.
Ich redete auf einigen der von den Linken organisierten Demonstrationen. Dabei wurde in mir das Gefühl immer stärker, dass ich gegen einen anschwellenden Strom sprach, der alles mitriss: Die Khomeini-Bewegung oder die Volksmudschaheddin schienen an die Macht zu drängen, ich versuchte die Idee der Revolution, ein besseres Leben für die Menschen, den Aufbau eines Regimes von unten, in Erinnerung zu rufen.
Jede Revolution ist eine Zeit des Umbruchs, in der noch nicht ganz klar ist, in welche Richtung es geht, wer die Macht erhalten wird. Klar war, wer sie nicht mehr hatte: Eines Tages war in der Zeitung zu lesen, dass der Schah das Land verlassen hatte. Dieser Tag war für mich persönlich ein trauriger Tag. Einer der Männer, die politisch mit uns zusammenarbeiteten, lebte zu dieser Zeit in einer Geheimwohnung mit uns und war schon lange depressiv. Er hat sich just an dem Tag, als der Schah ins Exil ging, in der kleinen geheimen Wohnung erhängt. So haben die Menschen auf den Straßen gejubelt, und wir trauerten um unseren Freund.
Wir waren natürlich froh, dass der Schah fort war. Ich war damals noch sehr jung, Anfang 20, heute würde ich versuchen, in so einer offenen Situation in die Politik zu gehen und die Geschicke des Landes als gewählte Abgeordnete mitzugestalten, überhaupt erst einmal für freie Wahlen zu kämpfen. Damals habe ich nicht über so etwas nachgedacht. Ich hatte gehofft, dass eine bessere Regierung kommen und der Savak abgeschafft würde. Ich hoffte auf Meinungsfreiheit, darauf, dass man bald alle Bücher kaufen könnte. Fast ein halbes Jahr hatte in der Zeit der Revolution eine aufregend offene Atmosphäre geherrscht. Dann ließ sich Khomeini am 1. Februar 1979 aus Frankreich einfliegen, und am 1. April 1979 wurde – nach einem Referendum, in dem er 98 Prozent der Stimmen bekam – Iran eine islamische Republik. Ein Referendum, in dem ich wie
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