Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
Vom Netzwerk:
Straße löste sich die Gruppe auf und verschwand in der
Nacht.
    Zwei Wochen später bot
mir Claybourne an, mir zu zeigen, wie ich das Material für meine eigene Hütte
in Canvas Town besorgen konnte. Er sagte, er werde einen Hammer und eine
Brechstange besorgen und ich solle ein paar Schillinge und eine Laterne
mitbringen. Wir trafen uns bei Einbruch der Dunkelheit vor Fraunces Tavern in
der Pearl Street. Claybourne trug einen Sack über der Schulter.
    »Wohin gehen wir?«,
fragte ich.
    »Seh’n, wo sie’n Haus
ausplündern«, sagte er.
    Eine Stunde lang liefen
wir die Straßen auf und ab und wichen Pferden und ihrem Mist aus. Jedes Mal,
wenn wir um eine Ecke bogen, sah ich eine Gruppe junger schwarzer Männer, die
uns in einigem Abstand zu folgen schien.
    »Mach dir wegen denen
keine Gedanken«, sagte Claybourne.
    Wir liefen immer weiter
die Straßen der Stadt auf und ab, bis wir vor uns einen Mob weißer Männer aus
einem zweistöckigen Haus stürmen sahen, Lampen und Silbernes in Händen, dazu
ein Schnapsfass.
    »Wir warten, bis die
Bienen den Stock verlassen ha’m«, sagte Claybourne.
    Wir drehten noch ein
paar Runden und kamen eine halbe Stunde später zurück. Es war jetzt richtig
dunkel. Die Tür war kaputt, die Fensterläden hatten sie heruntergetreten. Zwei
Fässer standen kopfüber auf der Straße, und ein Rinnsal Wein glitzerte im
Mondlicht.
    »Jetzt sind wir dran«,
sagte Claybourne.
    »Was ist, wenn noch
einer drin ist?«
    »So’n Mob kommt und
geht. Da iss keiner mehr und auch sons’ kaum noch was«, sagte er.
    Ich wollte nicht in das
Haus anderer Leute einbrechen, auch wenn es schon aufgebrochen war. Ich dachte
an meine Mutter. Wenn sie wüsste, was ich alles durchgemacht hatte, was würde
sie dann jetzt sagen? Claybourne sah mich an der Tür zögern.
    »Alle komm’n an die
Reihe, und der Trick iss zu wissen, wann. Komm, Mädchen, jetzt oder nie.«
    Ich folgte ihm durch
die Tür. Das Haus war verwüstet und ausgeplündert. Ich sah zerbrochene Vasen
und ein leeres Weinregal, das zertreten auf dem Boden lag. An der Wand hing das
Porträt eines Mannes und einer Frau, die beide auf einem eleganten Stuhl saßen.
Jemand hatte die Leinwand mit einem Messer aufgeschlitzt.
    »Wer wohnt hier?«,
fragte ich.
    »Die sind weg«, sagte
Claybourne.
    »Aber wer sind sie?«
    »Tories, denk ich«,
sagte Claybourne. »Seit Lexington und Concord plündern die Rebellen
Tory-Häuser.«
    Während ich die Lampe
hochhielt, ließ sich Claybourne den Sack von der Schulter gleiten, holte die
Brechstange heraus und hebelte die Beine von einem vornehmen Tisch. In einem
Schrank, in dem kein einziges Kleidungsstück mehr hing, fand er zwei
Wolldecken. In der Küche, wo das letzte verbliebene Essen auf dem Boden verstreut
lag, zog er drei Schubladen aus einer Anrichte. Schnell bewegte er sich von
Raum zu Raum, riss Pfosten von Betten, nahm eine strohgefüllte Stoffmatratze
mit und zertrümmerte einen merkwürdigen grünen Tisch mit Taschen an den Seiten,
die voller bunter Kugeln waren.
    »Was ist denn das?«,
fragte ich.
    »Hab ich schon mal
geseh’n«, sagte Claybourne. »’n Spiel von den weißen Leuten, mehr weiß ich
nich.«
    »Wie sollen wir all die
Sachen tragen?«, fragte ich.
    »Hast du fünf
Schillinge?«
    »Ja.«
    »Gut.«
    Nachdem wir alles vor
der Tür aufgestapelt hatten, steckte Claybourne zwei Finger in den Mund und
ließ einen durchdringenden Pfiff hören. Vier Negerjungen kamen darauf um die
Ecke und liefen zu uns.
    »Canvas Town«, sagte
Claybourne, »und wenn’s geht, schnell.«
    Die vier standen
wartend da.
    »Ein Schilling für
jeden«, sagte er.
    Ich ließ eine Münze in
jede der vier Hände fallen, und die Jungen griffen sich, was sie tragen
konnten, und verschwanden in der Nacht. Ich trug ein Bündel Tischbeine in den
Armen und Claybourne die Tischplatte auf dem Rücken. Wir keuchten durch die
dunklen Straßen, aber schon kamen die Jungen angerannt, um uns mit dem Rest zu
helfen.
    Am nächsten Tag gab ich
auf Claybournes Anweisung einem Hafenarbeiter einen weiteren Schilling, der
mich dafür eine Rolle mit mehreren Metern gerissenem Sackleinen mitnehmen ließ.
Anschließend machte sich Claybourne mit Hilfe von drei weiteren Männern, die in
der St. Paul’s Chapel lesen und schreiben lernten, daran, mir am Rand von
Canvas Town eine Hütte zu errichten. Es schien kaum möglich, aus den Dingen,
die wir gestohlen hatten, eine Behausung zu bauen, aber ein paar Leute brachten
noch extra Holz von kaputten

Weitere Kostenlose Bücher