Ich habe einen Namen: Roman
vertrieben?
Sam flüsterte, er glaube, die Rebellen seien die besseren Menschen. Den
Engländern traue er nicht, auch denen nicht, die zum Essen zu ihm kämen. Sie
seien zu freundlich, zu begeistert von seiner Küche, und überhaupt besitze die
Hälfte von ihnen Sklaven, sagte er. Was mich betraf, so nahm ich sowieso an,
das Beste sei, niemandem zu trauen.
Ich nippte an meinem
Kaffee mit Sirup und Milch, stellte das Glas ab und starrte die Zeitung an. Auf
der ersten Seite stand eine Bekanntmachung von Lord Dunmore, dem Gouverneur von
Virginia, die allen Negern, die für die Engländer in den Krieg zogen, die
Freiheit versprach.
»Mit dem Ziel, Frieden und Ordnung bald schon
wiederherzustellen« , hieß
es in Lord Dunmores Bekanntmachung, »fordere ich jede
Person, die eine Waffe zu tragen imstande ist, dazu auf, sich hinter der Fahne
Seiner Majestät zu sammeln …, und erkläre hiermit weiter, dass sich alle
eingezogenen Diener, Neger oder andere (den Rebellen zugehörige) Freie, die in
der Lage und willens sind, eine Waffe zu tragen, schnellstmöglich den Truppen
Seiner Majestät anschließen sollen, denn dann gewinnt diese Kolonie umso
zügiger das angemessene Pflichtbewusstsein gegenüber der Krone und der
Erhabenheit Seiner Majestät zurück.«
Die Engländer
versprachen uns die Freiheit, wenn wir für sie kämpften. Ich fragte mich, wie
sie uns befreien und wo und wie sie uns leben lassen wollten. Die
Bekanntmachung sprach von Leuten, die Waffen tragen sollten, und es sah aus,
als seien damit nur Männer gemeint. Bestimmt würden sie keiner Frau Waffen
geben. Und wenn die Neger, die in den Kampf zogen, von Rebellenkugeln getroffen
wurden, was nützte ihnen dann ihre Freiheit noch?
Sam kam zurück in die
Küche.
»Hast du das gelesen?«,
fragte ich.
»Das wird deine Leute
in Canvas Town in Aufruhr versetzen«, sagte er, »aber ich würde mich nicht
verlocken lassen. Die Engländer sterben reihenweise und brauchen mehr Männer,
deshalb rufen sie die Sklaven zu Hilfe. Das macht die Rebellen wütend. Sie
sagen, es ist nicht fair, guten Männern die Sklaven zu stehlen.«
»Aber das Angebot
freizukommen«, sagte ich, »was ist damit?«
»Früher oder später
sind die Engländer erledigt, und glaubst du, sie nehmen dich mit, wenn sie
abziehen?«
In der Kapelle abends
sprangen meine Schüler wild durcheinander, als ich ihnen die Bekanntmachung in
der New Amsterdam Gazette zeigte. Ich musste ihnen den Text
wieder und wieder vorlesen.
»Was soll das alles
bedeuten?«, sagte Bertilda.
»Frei, um zu sterben«,
sagte Claybourne. »Na vielen Dank, ich bin schon frei.«
»Du biss frei, bis
irgend’n fetter weißer Reisbauer hier auftaucht und dir’n Ring um dein’ Hals
legt«, sagte Bertilda. »Heb dein’ Knochenhintern hoch und kämpf, Mann.«
»Warum kämpfst du nicht
auch?«, sagte Claybourne.
»Würd ich ja«, sagte
Bertilda, »wenn sie mich ließ’n. Geb’n sie mir’ne Muskete, schieß ich ein’
Plantagenbesitzer nach dem ander’n über’n Haufen. Ich mach sie schneller tot
als’n Voodoo-Häuptling.«
»Schieß für mich auch
einen ab«, sagte Claybourne.
Als ich eine
Woche später abends den kalten, windigen Broadway hinaufging, Trinity bereits
hinter mir gelassen hatte und mich St. Paul’s näherte, legte sich mir plötzlich
eine starke Hand von hinten auf den Mund. Ich versuchte mich umzusehen, konnte
den Kopf aber nicht drehen. Mein Gesicht wurde in die Armbeuge eines großen,
kräftigen Mannes gedrückt, der mich in eine Gasse zerrte. Ich konnte weder
Schritte noch Stimmen hören, nur den rauen Atem des Mannes, der mich zu Boden
warf. Flach auf dem Rücken und nach Luft schnappend, sah ich einen jungen
weißen Kerl, der sich die Hose bereits aufgeknöpft hatte. Ich versuchte, zur
Seite zu rollen, aber da sprang er schon auf mich.
Ich begann zu schreien,
doch er hielt mir den Mund zu und schlug mich mit der anderen Hand. Mit seinem
ganzen Gewicht drückte er mich in den kalten, nassen Matsch. Ich spuckte ihn an
und biss ihm in die Hand, konnte mich aber unter seinem Gewicht und seiner
Kraft nicht bewegen. Ich hörte meine Kleider reißen.
Endlich dann Schritte
und Rufe. Die wütende Stimme eines Mannes in der Nacht. »He, du? Elender Rüpel!
Lass die Frau in Ruhe! Lass sie los, oder ich schieße!«
Mein Angreifer
begrapschte mich immer weiter. Er war hart und suchte nach dem Weg in mich
hinein.
Erst als ein
Pistolenschuss krachte, hielt er inne.
»Die nächste Kugel
landet direkt in
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