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Ich habe einen Namen: Roman

Ich habe einen Namen: Roman

Titel: Ich habe einen Namen: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Hill
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den Briten mindestens ein Jahr gedient habe,
werde gesagt bekommen, an welchem Tag er – oder sie – sich auf welchem Kai zu
melden habe, um auf welches Schiff zu kommen. Auf den Schiffen selbst solle es
dann eine gründlichere Inspektion geben, und wer immer betrügerisch an Bord
komme, werde direkt den Amerikanern übergeben.
    Am nächsten Morgen
standen vierhundert Leute vor Fraunces Tavern. Colonel Baker holte die ersten
dreißig nach drinnen und sagte den anderen, sie sollten an einem anderen Tag
wiederkommen.
    »Uns bleiben noch
Monate«, rief er. »Wir können euch nicht alle an einem Tag unterbringen.«
    Meine Aufgabe bestand
darin, die Neger zu befragen und ihre Antworten an die Offiziere weiterzugeben.
Ich lernte dabei etliche Leute aus Orten kennen, von denen ich nie gehört
hatte. Einige sprachen keine mir bekannte Sprache, meist jedoch verstand ich,
was sie sagten, und konnte ihnen erklären, was auf den Scheinen stand, die sie
bekamen. Die Leute drängten sich vor meinem Tisch, es war heiß und die Tage
waren lang. Trotzdem – und so sehr ich mich darauf freute, abends in Chekuras
Arme zurückzukehren – gefiel mir meine neue Arbeit. Ich hatte das Gefühl, den
in Neuschottland Zuflucht suchenden Negern etwas geben zu können und auch von
ihnen etwas zu bekommen. Sie bewiesen mir, dass ich nicht allein war.
    Irgendwie war mir mein
Leben mit seinen unerwarteten Wendungen immer einzigartig vorgekommen, doch
jetzt begriff ich, dass es das nicht war. Ich war in keiner Weise anders als
all die anderen. Jeder, der vor mich trat, hatte eine Geschichte, die in ihren
Einzelheiten ebenso unglaublich schien wie meine. Zuletzt beeilte ich mich, den
Leuten die zentralen Informationen zu wiederholen: Wann sie sich auf welchem
Kai einzufinden hatten, für welches Schiff sie vorgesehen waren und was sie an
Besitztümern mitnehmen durften – ein Fass Lebensmittel, ein Fass Trinkwasser
und eine Truhe mit Kleidung. Colonel Baker bestand darauf, dass ich das sagte,
obwohl ich ihm erklärte, dass niemand in Canvas Town Fässer mit Essensvorräten
und Truhen voller Kleidung besitze. Aber ich tat noch etwas für die Leute, die
ich befragte. Ich zeigte ihnen ihre Scheine, las ihnen ihre Namen vor und
sorgte dafür, dass sie sahen, sie waren registriert worden.
    An den nächsten zwei
Tagen fertigten wir sechzig weitere Auswanderer ab. Dann sagte Baker zu den
Leuten vor dem Haus, sie sollten in zwei Wochen wiederkommen. Bis Mitte Mai
würden keine weiteren Scheine ausgegeben.
    Ich bekam ein hübsches
Zimmer in einem Haus auf der Heiligen Erde. Chekura durfte bei mir wohnen, und
auch ihm wurde eine Passage nach Neuschottland versprochen.
    »Bis dahin kann er die
Kasernen putzen, damit er zu tun hat«, sagte Waters. »Und er sollte den Job
annehmen, denn von dir wird er nicht viel zu sehen bekommen.«
    Als sich am
21. April 1783 die ersten neunzig Neger auf Murray’s Wharf versammelten, begann
meine eigentliche Arbeit. Die Auswanderer wurden zunächst zu vier im East River
ankernden Schiffen hinausgerudert, der Spring , der Aurora und der Spencer , die nach St. John segeln würden, sowie
der Peggy , die Kurs auf Port Roseway nahm. Ich wusste, dass St. John und Port
Roseway in Neuschottland lagen, die beiden Orte waren mir auf der Karte gezeigt
worden.
    Colonel Baker, Captain
Waters und ich wurden zuerst auf die Spring gebracht. Wir gingen an Bord, wo Helfer
einen Tisch für uns aufstellten. Zwei Offiziere der amerikanischen Armee kamen
dazu, die dafür sorgen sollten, dass keine unberechtigten Neger mitfuhren.
Seeleute und Offiziere bewegten sich frei auf Deck, die Passagiere hatten in
einem Raum darunter zu warten. Mit an Bord waren Dutzende von weißen
Loyalisten, die als Erste an Bord gelassen worden waren, aber die gingen uns
nichts an. Wir waren gekommen, um die Neger zu prüfen. Meine Aufgabe bestand
darin, der Befragung der Flüchtlinge durch die Offiziere zuzuhören und die
Einzelheiten auf einem zweiseitigen Bogen einzutragen.
    »Geben Sie sich alle
Mühe«, sagte der Colonel zu mir. »Seien Sie ordentlich, knapp und genau.«
    Die Bögen bildeten
einen Teil des Registrierbuches, in dem alle Neger aufgeführt werden würden,
die zu Ende des Krieges in die britischen Kolonien verbracht wurden. Sollten
die Amerikaner später auf eine Entschädigung drängen, würde das Buch der Neger genau zeigen, wer New York tatsächlich verlassen hatte.
    Eine Gruppe von zehn
Negern wurde an Deck gerufen. Ich hatte keinen von ihnen

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